Käßmann: „Sehnsucht nach Leben“

Die Ex-Bischöfin verarbeitet die Brüche in ihrem Leben.

Berlin. Das Buch war abzusehen. Nicht weil Margot Käßmann gerne schreibt und regelmäßig Neues zu sagen hat. Sondern weil in ihrem Leben zuletzt so viel passierte, dass selbst die standfeste Pfarrerin ins Wanken geriet. 2009 ihr bejubelter Aufstieg zur Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland.

2010 dann die Alkoholfahrt und ihr Rücktritt von allen Ämtern. In ihrem neuen Buch „Sehnsucht nach Leben“ versucht die 52-Jährige, diese Turbulenzen zu verarbeiten. Und legt einen Ratgeber für den Umgang mit den Widersprüchen der Existenz vor.

„Hätte ich gewusst, welche Brüche im Leben auf mich zukommen, wäre ich ihnen wohl ängstlich ausgewichen“, schreibt Käßmann. Manchmal brauche es großen Mut, wenn man ein selbstbestimmtes Leben führen wolle: „So habe ich es als inneren Mut empfunden, nach drei quälenden Tagen der Frage nach dem eigenen Versagen, nach der Erfahrung von übler Häme und Spott, nach immer aberwitzigeren Spekulationen sagen zu können: Ich gebe meine Ämter auf.“

Käßmann hatte sich im Februar 2010 betrunken ans Steuer gesetzt und war bei Rot über eine Ampel gefahren. Im Nachhinein wurde sie für ihre Konsequenz daraus gelobt.

In der Plagiatsaffäre von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg etwa fiel sie den Kritikern als Positivbeispiel ein, wie man als Träger von Amt und Würden mit Verfehlungen umzugehen habe. Nach dem Rücktritt von Horst Köhler wurde sie als Bundespräsidentin vorgeschlagen. Kurzum: Kaum eine Person gilt als moralisch so integer wie Käßmann.

In „Sehnsucht nach Leben“ versucht die vierfache Mutter dieser Rolle gerecht zu werden. Den Menschen, die oft selbst Brüche und schwere Schicksalsschläge zu verkraften haben, Orientierung und Halt zu geben. Da ist Käßmann ganz Pfarrerin. Sie flicht auch immer wieder Stellen aus der Bibel ein. Insgesamt widmet sie sich in zwölf Kapiteln den verschiedenen Sehnsüchten. Illustriert werden die Passagen von Eberhard Münch.

Patentlösungen für die Sinnfragen des Lebens liefert Käßmann nicht. Sie ist wohl selbst zu zerrissen. Auf der einen Seite mache Sehnsucht kreativ und könne die Welt verändern, schreibt sie. Das Verlangen nach Veränderung könne aber „krankhaft“ sein, wenn es das Gute nicht wertschätze. Für Margot Käßmann gab es noch weitere Brüche im Leben: eine Krebserkrankung und die Trennung von ihrem Ehemann.