Lesung: Ironie gegen westliche Arroganz

Andrzej Stasiuk präsentiert in Düsseldorf sein Reisebuch „Fado“.

<strong>Düsseldorf. In Polen ist er ein Star, aber auch in Düsseldorf ist Andrzej Stasiuk schon bekannt, wie die Direktorin des Polnischen Instituts Anna Brzozowska zur Begrüßung im Heine-Institut betonte: Er war einer der "Barbaren" in der Reihe osteuropäischer Dramatiker im Schauspielhaus. Seine Satire "Nacht" amüsierte damals mit einem provozierenden Spiel deutsch-polnischer Vorurteile. Satire ist aber nur eine von Stasiuks Begabungen. Seine Übersetzerin Renate Schmidgall wies am Mittwochabend im (trotz des Streiks voll besetzten!) Heine-Institut darauf hin, dass der 47-jährige Autor viele "Tonarten" beherrscht. In seinen Reiseskizzen, die oft auch in deutschen Zeitungen abgedruckt und in Büchern wie "Galizische Geschichten" und "Unterwegs nach Babadag" im Suhrkamp Verlag erschienen sind, betrachtet er die Länder Osteuropas mit einem poetischen und melancholischen Blick. Darum heißt sein neues Buch, das ihn bis Montenegro und Albanien führte, auch "Fado", denn wie dieser portugiesische Gesang, so Stasiuk, sei das osteuropäische Lebensgefühl geprägt von einer Sehnsucht nach dem Unbekannten, dem Anderswo - und nach dem, was es gar nicht gibt. Andrzej Stasiuk lebt in einem Dorf in den Beskiden. Diese Berglandschaft in Südpolen grenzt an die tschechische und die slowakische Republik, auch Rumänien und die Ukraine sind nicht weit. Dort findet der Autor seit seinem erfolgreichen Roman "Die Welt hinter Dukla" den Stoff für verträumte poetische Skizzen, wie "Mitte Oktober. Rückkehr", fast ein Gebet anlässlich des goldenen Herbstlichtes, das dieser "Landschaft der fruchtlosen Bemühungen" etwas Unwirkliches verleiht. Seine Fahrten geben ihm aber auch Anlass zu provozierenden Überlegungen zum Verhältnis von West- und Osteuropa, in denen er bissig die eingebildete Überlegenheit des Westens in Frage stellt. Etwa in "Parodie als Methode, den Kontinent zu überleben", in dem er die Gefahr aufzeigt, dass die osteuropäischen Länder bloße Kopien des Westens werden könnten. So dass er zur düsteren (ironischen?) Vision greift: "In eurer Blüte und eurem Wachstum konnten wir euch nicht Gesellschaft leisten, aber dafür werden wir euren Untergang nachäffen."

Simon Roden las die deutschen Texte so dynamisch wie eindringlich und erhielt dafür viel Applaus. Stasiuk brachte Kostproben im Original zu Gehör und plauderte auf Polnisch. Dass für ihn der Abend auch ein Heimspiel war, merkte man an den vielen schnellen Lachern aus dem Publikum. Zum Glück konnte Renate Schmidgall so flott dolmetschen, dass auch die anderen Zuhörer auf ihre Kosten kamen.

Andrzej Stasiuk: "Fado. Reiseskizzen", Suhrkamp Verlag 2008, 160 S., 9,50 Euro