Sudelbücher Lichtenberg wird zum 275. gefeiert
Göttingen (dpa) - Seine „Sudelbücher“ sind eine Schatztruhe mit über 8000 tagebuchartigen Notizen: Witzige Einfälle finden sich darin, politische Beobachtungen sowie ironische Selbstanalyse.
Erst nach dem Tod von Georg Christoph Lichtenberg im Jahr 1799 wurden die Aufzeichnungen des Göttinger Aufklärers veröffentlicht. Bis heute inspirieren sie Schriftsteller, Philosophen und bildende Künstler. Der geniale Gelehrte, der mit Goethe korrespondierte und beim britischen König Georg III. zu Gast war, gilt als Begründer des Aphorismus und Urvater der Satire in Deutschland. Zu seinem 275. Geburtstag am 1. Juli feiert ihn die Stadt Göttingen mit einem Reigen an Ausstellungen, Lesungen und Führungen.
Ein Denkmal am Alten Rathaus zeigt Lichtenberg in Lebensgröße. Der Pastorensohn war nur etwa 1,40 Meter klein und bucklig - Folge einer Rachitis-Erkrankung im Kindesalter. Der bei Darmstadt geborene Naturforscher gilt als einer der ersten Experimentalphysiker in Deutschland. Zu seinen Vorlesungen, bei denen er Blitze zucken und Ballons aufsteigen ließ, kamen mindestens 100 der 700 Studenten der noch jungen Uni. „Er hatte Charme und Lebensfreude trotz aller körperlicher Gebrechen“, sagt der Geschäftsführer der Lichtenberg-Gesellschaft, Klaus Hübner. Seine Ausstrahlung sei auch ein Faktor in seinen Beziehungen zu jungen Frauen gewesen.
Besucher der Universitätsstadt können heute noch auf Lichtenbergs Spuren wandeln. Stationen sind das Haus, in dem er seine Vorlesungen hielt, sein Gartenhaus, an dem er 1780 die neue Erfindung des Blitzableiters ausprobierte, oder die Historische Bibliothek, wo er mehr als tausend Mal Bücher ausgeliehen hat.
In der Paulinerkirche, dem ehemaligen Bibliothekssaal, wird zum Geburtstag die Ausstellung „Dinge Denken Lichtenberg“ gezeigt. Dabei sollen Lichtenbergs Instrumente aus der Sammlung des Physikalischen Instituts mit den Schriften, Ideen und Praktiken des Gelehrten in einen Dialog treten. „Wir möchten ihn als beispielhafte Persönlichkeit eines Wissenschaftlers und akademischen Lehrers des 18. Jahrhunderts zeigen“, sagt Kurator Steffen Hölscher.
Noch bis 13. August ist darüber hinaus die Schau „Lichtenberg reloaded!“ im Alten Rathaus von Göttingen zu sehen. Vertreten sind mehr als 40 Künstlerinnen und Künstler von Horst Janssen über Robert Gernhardt und Loriot bis hin zu jungen Zeichnern, die Lichtenbergs satirische Einfälle weiterspinnen. Auch das Junge Theater widmet dem Jubilar ein Stück. „Der größte Zwerg“ wurde im Februar uraufgeführt und wird auch in der Spielzeit 2017/18 gezeigt.
„Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt“, lautet ein Aphorismus von Lichtenberg, der auch in die heutige Zeit passt. Oder: „Vom Wahrsagen läßt sichs wohl leben in der Welt, aber nicht vom Wahrheit sagen.“ Der Geschäftsführer der Lichtenberg-Gesellschaft hat folgenden Lieblings-Spruch: „Da gnade Gott denen von Gottes Gnaden.“ Lichtenberg sei zwar kein Revolutionär gewesen, der die Monarchie abschaffen wollte, sagt Hübner. „Aber er wendet sich gegen jegliche Art von Unvernunft.“