Marc Smith: 25 Jahre Poetry Slam

Hamburg (dpa) - Der „Godfather of Poetry Slam“ wirkt ganz bescheiden. 1986 organisierte Marc Smith in einem Jazz Club in Chicago einen Peotry Slam, der als der weltweit erste gilt. 25 Jahre später sitzt er in einem Café in Hamburg, wo die 15. deutschsprachigen Meisterschaften der Slampoeten veranstaltet werden.

„Dass sich die Idee in Amerika ausbreitet, davon bin ich ausgegangen. Aber ich hätte nicht erwartet, dass die Slams um die Welt gehen“, sagt der 62-Jährige.

In der Hansestadt treten bis Samstag 250 Wortakrobaten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gegeneinander an. Mehr als 12 000 Zuschauer werden erwartet. Die Regeln sind knapp: So haben die Künstler nur wenige Minuten Zeit, um ihre selbstverfassten Texte lediglich mit Mikrofon und Zettel zu präsentieren. Andere Hilfsmittel wie Requisiten und Kostüme sind verboten. Es gehe darum, kreativ zu sein und den Texten Leben einzuhauchen, erklärt Smith. Daran habe sich in den vergangenen 25 Jahren nichts geändert.

Chicago Mitte der 1980er Jahre: Der heruntergekommene Stadtteil Bucktown wird zum Anlaufpunkt für Künstler, Dichter und Schriftsteller. Unter ihnen Bauarbeiter und Jazz-Poet Smith. „Wir waren gelangweilt von den steifen, eintönigen Lesungen, bei denen sich die Autoren hinter ihrem Tisch verstecken.“ Bei der neuen, kreativeren Form eines Poeten-Wettkampfes sollten die Werke in einer Performance dargeboten werden. Wichtig sei auch die Interaktion mit den Zuschauern, die als Jury fungieren. „Nicht der Dichter, sondern das Publikum soll im Mittelpunkt stehen.“

Im Juli 1986 organisiert der Chicagoer schließlich im Jazz-Club „The Green Mill“ den „Uptown Poetry Slam“, der als allererster Poetry Slam der Welt gilt. „So etwas hatte es bis dahin nicht gegeben“, sagt der Gründungsvater. Es sei aber nie darum gegangen, große Stars hervorzubringen. „Es ist eine Kunstform für Jedermann“, erklärt Smith, der selbst seit seinem 19. Lebensjahr Gedichte schreibt. „Ob Hausfrauen und Rechtsanwälte oder Wissenschaftler und Obdachlose - auf der Bühne sind alle gleich.“

Die Idee der unkommerziellen Dichterschlacht verbreitet sich rasch. In New York und San Francisco gibt es erste Slams. Dann schwappt die Welle nach Nordeuropa, etwa nach Finnland, Schweden und Großbritannien. In Deutschland geht es Mitte der 1990er Jahre in Hamburg, Berlin, Düsseldorf und München los. Heute gibt es rund 200 regelmäßige Veranstaltungen, quer durchs die Republik.

Früher sei er ein „Amerikaner aus dem Mittleren Westen gewesen, der kaum gereist ist“, erinnert sich Smith. Doch inzwischen ist er auf Einladung der internationalen Slam-Community, wegen ihrer familiären Struktur gerne auch „slamily“ genannt, auf der halben Welt unterwegs. Neben zahlreichen europäischen Städten stand vor einigen Jahren auch der „Indian Ocean Slam“ auf La Réunion auf dem Programm.

Und was ist aus dem „Uptown Poetry Slam“ im „Green Mill“ geworden? Dort versammeln sich noch heute regelmäßig Dichter und Literaten zum ältesten Poetry Slam der Welt.