Navid Kermani: Fremdenfeindlichkeit ohne Chance

Navid Kermani lobt Integrationsleistung Deutschlands.

Düsseldorf. Die Suche nach der eigenen Identität liefert häufig nur ein lebensfremdes Konstrukt. Der Fundamentalismus, ob im muslimischen oder christlichen Gewand, erscheint dann als Rückkehr zu etwas, was wir früher glaubten zu sein, tatsächlich aber nie waren. Man denke nur an die "wiedergeborenen Christen" um Bush in den USA. Zugleich aber ersetzt dieser Fundamentalismus etwas, was in der modernen Gesellschaft fehlt: eine gesicherte Identität.

So eine These von Navid Kermani, in Siegen als Sohn iranischer Eltern geboren, in Köln lebend und als habilitierter Orientalist Mitglied der "Islamkonferenz". In seinem neuen Buch "Wer ist wir? Deutschland und seine Muslime.", jetzt in der Evangelischen Stadtakademie in Düsseldorf vorgestellt, hält Kermani der etwas merkwürdigen deutschen Integrationsdebatte einen Spiegel vor.

"Mit der Religion allein erklärt man gar nichts", betont Kermani und verweist auf die völlig unterschiedliche Weise, in der Türken und Iraner in die deutsche Wirklichkeit integriert sind. Und er warnt, die Integrationsdebatte dürfe nicht zur Religionsdebatte werden.

Dass sie es dennoch all zu häufig wird, liegt nach Kermanis Beobachtung daran, dass die Integrationsdebatte in Wirklichkeit eine Auseinandersetzung darüber ist, was "Deutschsein" bedeute. Islamwissenschaftler seien daran kaum beteiligt, stattdessen dienten einige "Ex-Muslime, die alles am Islam schrecklich finden, als Kronzeugen der Anklage".

Anders aber, als es die Medien weithin vermittelten, funktioniere das tatsächliche Zusammenleben in der deutschen Realität wesentlich besser. Deutschland habe innerhalb nur einer Generation eine "ungeheure Integrationsleistung" vollbracht, und das sogar "ohne jede Integrationspolitik".

Im Gegenteil: Noch unter Kohl habe die "Rückkehrprämie" als Rauswurf-Instrument gedient. Heute aber versuche keine relevante politische Partei, im Wahlkampf Fremdenfeindlichkeit zu instrumentalisieren - anders als etwa in Österreich, den Niederlanden oder Dänemark.

Deutsche, Muslime und die Frage nach der gemeinsamen Identität also: Die deutschen Muslime jedenfalls scheint dies kaum um den Schlaf zu bringen. Denn dem (zugegeben nicht immer ganz zuverlässigen) Augenschein nach hatte sich kein einziger unter die knapp 100 Besucher verirrt. Aber vielleicht ist das ja auch ein gutes Zeichen?