Neuer Franzen-Roman: Worum geht es denn im Leben?
Literatur: Jonathan Franzens großer Roman „Freiheit“ nimmt wieder eine Familie unter die Lupe.
New York. Worum geht es eigentlich im Leben? Vor neun Jahren stellte Jonathan Franzen diese Frage in seinem Familienroman "Die Korrekturen". Das Werk wurde zum Weltbestseller und machte den damals 42-jährigen US-Amerikaner über Nacht zu einem der bekanntesten Schriftsteller der Gegenwart. Mit dem neuen Roman "Freiheit" etabliert sich Franzen endgültig als führende Figur der US-Literatur.
Erneut richtet er seinen Fokus auf eine scheinbar glückliche Familie im Mittleren Westen der USA. Walter Berglund ist Anwalt, der in einem multinationalen Unternehmen arbeitet, im Herzen aber "grüner als Greenpeace" ist. Seine Frau Patty wäre fast ein Baseball-Star geworden, hat ihren Ehrgeiz in der Ehe mit dem braven Walter aber auf das Projekt perfekte Familie umgelenkt.
Mit Teilerfolgen: Die viktorianische Villa wurde mustergültig selbst renoviert, Tochter Jenny ist uneingeschränkt präsentabel, bei Sohn Joey hingegen weiß man nie genau, was er als nächstens anstellt. Doch unter der glatt polierten Oberfläche brodelt der Frust. Patty versucht, ihn mit Alkohol und durch eine Affäre mit dem besten Freund ihres Mannes wegzuschieben. Das aber stürzt sie in eine anhaltende Depression, die wiederum verdüstert das Familienleben.
Und diese vergleichsweise banale Geschichte soll einen Leser über 730 Seiten und 30 Jahre fesseln? Oh ja, Franzen schafft das mit Leichtigkeit. Er erzählt glänzend - unterhaltsam und zugleich komplex mit Zeitsprüngen und Perspektivwechseln, dass man von diesem Roman gar nicht mehr lassen möchte.
Der Autor könnte sich begnügen mit seiner Durchschnittsfamilie und ihren Normalo-Nachbarn, von denen jeder für eine gesellschaftliche Nische stehen. Viele Milieus gibt es im Roman, alle an feinen, kleinen Details genüsslich festgemacht - nur manchmal lässt er sich hier in selbstverliebtem Fabulieren ein wenig gehen.
Doch Franzen geht es auch um die übergeordnete Moral und die titelgebende "Freiheit" - ein großes Wort und ein hoher Wert. So groß, so hoch, so hehr, dass ein Mensch mit seinem kleinen Leben dagegen leicht mickrig und lächerlich wirkt. Seine Erzählkraft macht aus dieser Diskrepanz keinen erzieherischen Appell, sondern höchstes Lesevergnügen.