Neues Buch: Des Dichters letzte Ruhestätte
Cees Nooteboom und die Fotografin Simone Sassen sind zu den Gräbern von Dichtern und Denkern gereist. Von Südamerika über Europa bis Japan lernt der Leser die letzten Ruhestätten berühmter Poeten kennen.
<strong>Düsseldorf. "Man entgleitet der eigenen Zeit", schildert der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom den Weg zu T.S. Eliots Grabstätte, den er mit seiner Frau Simone Sassen unternahm. Sassen ist Fotografin, Nooteboom der gelehrteste und belesenste Dichter, den man sich denken kann. Nicht wenige der Toten hat er persönlich gekannt, so Thomas Bernhard, Jan Jacob Slauerhoff, Susan Sontag, Mary McCarthy, die ihm eine geistige Lehrerin war, und den kaum noch bekannten russischen Theaterregisseur Pierre Kemp, zu dem er bemerkt: "Er war so leicht, man glaubt einfach nicht, dass er unter diesem großen glänzenden Stein liegen kann. Wahrscheinlich ist er längst entwischt." So sind Nootebooms Friedhofsbesuche keineswegs nur deprimierend. Da sei sein geistreich philosophischer Humor vor! Am Grab von Ezra Pound in Venedig, wo auch der russische Dichter Joseph Brodsky bestattet ist, endet er: "Darüber könnte man mancherlei sagen, deshalb lasse ich es." Und dass die Denkmäler für die Toten oftmals überaus komisch sind - das spanische "tumbas" (so der Titel des Buchs) bedeutet nicht nur Grab, sondern auch Denkmal - zeigt die Aufnahme des fast grotesken, übermannshohen Monumentes für den französischen Großkritiker Sainte-Beuve in Montparnasse.
Virginia Woolfs Asche wurde in ihrem geliebten Garten verstreut
Von Südamerika über Europa bis Japan lernen wir neben den Geistesgrößen auch die Gebräuche kennen, wie man ihrer gedenkt und sie zur letzten Ruhe bettet; Juden etwa pflegen kleine Steinchen auf einen großen zu häufen, wie man es bei Brodsky in Venedig, Walter Benjamin in Portbou oder Elias Canetti in Zürich sieht. Oder wie es ihrem letzten Willen entsprach: Virginia Woolf etwa verfügte, dass ihre Asche im geliebten Garten bei Monks House in Rodmell verstreut werde. Nooteboom und Sassen treffen also nur den Garten an, der zu dieser Zeit "in orgiastischer Blüte steht, wollüstig, aufreizend, kein schöneres Grab ist vorstellbar zu dieser Jahreszeit". Auch Thomas Bernhards apartes Grab, von österreichisch-schmiedeeiserner Grazie unter himmlisch wucherndem Efeu, in dem auch Bernhards engste Freunde, Franz und Hedwig Stavianicek, ruhen, führt bei der Betrachtung zu gar seltsamen Assoziationen. Auf demselben Friedhof liegt nämlich auch der Schriftsteller Heimito von Doderer, der Nooteboom ein schlechtes Gewissen macht. Er weiß zwar genau, wo dessen "Strudelhofstiege" in seiner Bibliothek steht, nur hat er es immer noch nicht gelesen. Schlimmer noch, er erinnert sich allein an dessen Verfilmung durch Max Ophüls mit Danielle Darrieux, "in die ich als Siebzehnjähriger heimlich verliebt war. Manchmal sind sie gefährliche Orte, die Friedhöfe".Da gibt es zierliche Stelen, fast in der Erde verschwindende Steine, erstickende Familiengrüfte, dicht an dicht in Wände eingelassene Urnenschalen. Man könnte noch viel von den über 90, mit Erinnerungen, Reflexionen und Gedichten versehenen Stätten erzählen - besser indes, man liest es und schaut selber.
Biographie: Cornelis Johannes Jacobus Maria Nooteboom (geb. 31. Juli 1933 in Den Haag) ist einer der bedeutendsten niederländischen Schriftsteller der Gegenwart.
Werk: Sein Werk umfasst Romane ("Rituale"), Novellen, Reiseberichte und Gedichte. Seine Bücher erhielten Preise und wurden in mehr als 15 Sprachen übersetzt.
Buch: Cees Nooteboom/Simone Sassen: Tumbas. Gräber von Dichtern und Denkern. Schirmer/Mosel, 244 S., 135 Tafeln, geb., 39,80 Euro