Bücher als anspruchsvolle Deko
Studie: Potter oder Joyce: Viele Werke werden nicht zu Ende gelesen.
London. David Beckham und James Joyce teilen ein ungeliebtes Autorenschicksal: Ihre Bücher werden nicht gelesen, zumindest nicht bis zur letzten Seite. Das förderte jetzt eine Studie zu Tage, bei der 4000 Briten nach ihren Lesegewohnheiten befragt wurden. Der durchschnittliche Brite gibt in seinem Leben zwar mehr als 4000 Pfund (etwa 6000 Euro) für Bücher aus, liest aber nur die Hälfte der erworbenen Werke auch durch.
Abgesehen von individuellen Abneigungen ließ sich auch eine Hitliste jener Bücher aufstellen, an denen die Leser regelmäßig scheitern. Dazu zählen Dostojewskis "Schuld und Sühne", ebenso wie Salman Rushdies "Satanische Verse". Dass auch "Ulysses" von James Joyce mit einer Abbrecherquote von 28 Prozent weit vorn liegt, mag nicht einmal überraschen. Das 1000-Seiten-Werk gilt als schwerer Lesestoff und stand schon immer unter dem Verdacht, nur wenigen Kennern vertraut zu sein. Erstaunlich ist eher, dass auch 32 Prozent der Befragten "Harry Potter und der Feuerkelch" von JK Rowling aus der Hand legten.
Unbewältigt bleiben außerdem Biographien aller Art: Es trifft die früheren Staatenlenker Bill Clinton und Margaret Thatcher, den Fußballer David Beckham oder den ehemaligen Minister David Blunkett. Vergeblich versuchte der "Guardian" einige der verschmähten Autoren zu einer Stellungnahme zu bewegen, dagegen erklärte ein Sprecher der Buchhandelskette "Waterstone’s" freimütig: "Für uns zählt in erster Linie, dass die Bücher gekauft werden." Und Rachel Cugnoni vom Verlag "Vintage" mutmaßt: "Die Leute kaufen manche Bücher nur, weil die ganze Welt sie gelesen hat." Wer zu extrem schwerer Literatur greife, wolle damit wohl "intellektuelle Glaubwürdigkeit fürs Bücherregal" erwerben.
55 Prozent der Befragten gaben das sogar zu: Sie kauften Bücher nicht in der Absicht, sie zu lesen, sondern um sie als anspruchsvolle Dekoration zu verwenden oder als Statussymbol, mit dem man Freunde und Nachbarn beeindrucken kann. 40 Prozent der Befragten sagten, sie könnten sich nicht auf einen langen Text konzentrieren; sie seien dafür zu müde und säßen stattdessen lieber vor dem Fernseher oder vor dem Computer.
Kevin Killeen, der an der Universität Leeds Englisch lehrt und die Studie ausgewertet hat, mag die Möchtegern-Leser aber nicht rundweg verurteilen. Er halte es für sehr erfreulich, dass sie wenigstens den tapferen Versuch machten, schwierige Werke zu lesen. Dass "Ulysses" so viele Käufer finde, rühre ihn geradezu: "Das ist ja nicht gerade das Buch, das man auf der täglichen Busfahrt lesen kann."