Neues Buch "Königsallee": Wär es doch ein Stück von Mann
Hans Pleschinski lässt in „Königsallee“ den 80-jährigen Thomas Mann in Düsseldorf auf seine große Liebe Klaus Heuser treffen.
Düsseldorf. Die Liebe ist wahr, die Begegnung erfunden. Der Schriftsteller Thomas Mann, längst eine nationale Institution, entflammte 1927 beim Badeurlaub auf Sylt für den 17-jährigen Klaus Heuser aus Düsseldorf.
Der Gymnasiast wurde danach auch mal ins Haus der Manns nach München eingeladen. „Nach menschlichem Ermessen war das meine letzte Leidenschaft — und es war die glücklichste“, schreibt Mann (1875 — 1955) im Jahr 1933 in sein Tagebuch.
Begegnet sind sich Mann und Heuser zu Lebzeiten nicht mehr — erst wieder in Hans Pleschinskis am Montag erscheinendem Roman „Königsallee“. Er beruht, so schreibt er im Nachwort, „soweit ich es erkunden konnte und es mir erforderlich erschien, auf tatsächlichen Gegebenheiten“.
Doch die Verbindung von Fakten und Fiktion gelingt ihm nur bedingt. 1954 geht der greise Thomas Mann mit Frau Katia und Tochter Erika auf Vortragsreise, auch im Düsseldorfer Schumann-Saal soll er lesen. Logieren wird er im Breidenbacher Hof.
Mit funkelnder Bosheit schildert Pleschinski, wie sich Stadt- und Hotelspitze in helle Aufregung hineinsteigern. Schließlich soll der Literatur-Nobelpreisträger und bessere Deutsche, der wegen der Nazi-Herrschaft ins kalifornische Exil gegangen war, die Reputation der Stadt hübsch aufpolieren.
Just an diesem Tag weist der Roman auch Klaus Heuser ein Zimmer in dem Hotel am Ende der Königsallee zu. Nach 18 Jahren als Kaufmann in Fernost besucht er seine Eltern, begleitet wird er von seinem indonesischen Lebensgefährten Anwar.
Schwungvoll führt Pleschinski das ein — setzt sich dann aber zu sehr in die Spur des großen Vorgängers. Muss er als Rezeptions-Assistenten einen kleinen Herrn Friedemann bemühen — nach Manns gleichnamiger Novelle? Wenn eine Russin durchs Hotel läuft, muss er dann reflexartig die Tür des Frühstückssaals zuknallen lassen — das Dauermotiv im „Zauberberg“?
Auch sprachlich verstärkt sich der Eindruck des unangenehm Anbiedernden, was Pleschinski gar nicht nötig hätte.
Er weiß im Detail Bescheid über die verwickelten Liebesbedürftigkeiten in der Familie Mann ebenso wie über die Zeitläufte. Aber darüber geht ihm das psychologische Gespür verloren, lässt er die ironischen Ansätze in den Schilderungen Erikas und ihres Bruders Golo in ausufernden Schilderungen versinken.
Und was Heuser in Düsseldorf angeht, orientiert sich Pleschinski aufdringlich an Manns „Lotte in Weimar“, als der in die Jahre gekommene Goethe seine Jugendliebe Charlotte (Werthers Lotte) ebenfalls im Hotel empfängt.
„Das Schwerste tut not: Beschränkung“ hat Thomas Mann mal über Kleists „Amphitryon“ geschrieben. Er hat das auch beherzigt.