Neues Buch von J.K. Rowling - und keiner hat's gewusst
London (dpa) - Für Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling muss das Ganze etwas Magisches gehabt haben: Ein neuer Roman von ihr steht in den Regalen der Bücherläden, und die Welt lässt sie in Ruhe.
Kritiker betrachten tatsächlich das, was sie geschrieben hat, und Leser kaufen es, weil sie Interesse an der Materie haben. Für drei Monate hat die Erfinderin von Zauberlehrling Harry Potter den Ballast abwerfen können, eine der berühmtesten Schriftstellerinnen der Welt zu sein - angeblich etwas, das sie sich seit Jahren gewünscht hat.
Am Montag war es mit der Ruhe vorbei. Die „Sunday Times“ hatte am Wochenende aufgedeckt, dass hinter dem Pseudonym Robert Galbraith und dessen angeblichem Debütroman „The Cuckoo's Calling“ Rowling höchstpersönlich steckt. Sofort schoss der Krimi auf den Bestsellerlisten nach oben. Bei Amazon wurden innerhalb weniger Stunden Tausende Exemplare verkauft, und so dürfte es weitergehen.
Böse Zungen könnten meinen, dass sich hinter der Geheimniskrämerei ein genialer PR-Coup versteckt. Denn nachdem Rowlings erster Roman für Erwachsene „Ein plötzlicher Todesfall“ - erschienen im Herbst 2012 unter riesigem Medien-Hype - gemischte Kritiken bekommen hatte, ist jetzt die Neugierde nicht nur von unverwüstlichen Rowling-Fans entfacht. Eine Fortsetzung des Krimis, in dem es um einen Kriegsveteranen geht, der als Privatdetektiv den Tod eines Models in London untersucht, ist für kommendes Jahr bereits angekündigt.
Ob und wann „The Cuckoo's Calling“ auf Deutsch erscheint, war am Montag zunächst noch nicht klar. Der Hamburger Carlsen Verlag, der die weltbekannte „Harry Potter“-Saga nach Deutschland holte, ist von dem neuen Roman der britischen Autorin jedenfalls überrascht worden. „Da die Enthüllung des Pseudonyms noch frisch ist, sind die Rechte an der Veröffentlichung des Romans auf Deutsch eventuell schon vergeben. Dann wären wir nicht dabei“, teilte Carlsen am Montag auf dpa-Anfrage mit.
Rowling hatte seit Jahren Hinweise darauf gegeben, dass sie sich nichts mehr wünsche, als ohne Potter auf der Schulter und ganz in Anonymität schreiben zu können. Sie gilt als extrem öffentlichkeitsscheu, tritt nur selten auf und gibt kaum Interviews. „Ich hatte gehofft, ich könnte mein Geheimnis noch ein bisschen länger bewahren“, sagte die 47-Jährige, nachdem sie aufgeflogen war. „Es war so eine befreiende Erfahrung. Es war wundervoll, etwas ohne den ganzen Hype und die Erwartungen zu veröffentlichen, und ein pures Vergnügen, Kritiken und Feedback unter einem anderen Namen zu bekommen.“
Seit dem Erscheinen von „The Cuckoo's Calling“ auf dem englischen Markt im April verkauften sich laut „Sunday Times“ rund 1500 Exemplare. Die Kritiken fielen gut aus - einige Experten meinten gar, es sei verwunderlich, dass ein derart ausgefeilt geschriebenes Buch ein Debüt sein sollte.
Zwei weitere Indizien brachten die „Sunday Times“ schließlich auf Rowlings Fährte: Sie und der angebliche Autor Galbraith hatten denselben Agenten, und das Buch kam beim selben Verlag Little, Brown Book Group heraus wie „Ein plötzlicher Todesfall“. Die „Sunday Times“ ließ die Texte schließlich von Experten vergleichen. Diese fanden „starke Ähnlichkeiten bei Formulierungen und Stil“.
Am Montag berichtete die „Times“, dass das Buch auch anderen Verlagen vorher angeboten worden sei - und ähnlich wie es einst bei Harry Potter geschah, gab es einige Ablehnungen. In einigen Lektorats-Abteilungen dürfte es jetzt Ärger geben. Für ihr Alter Ego hatte Rowling eine eigene Lebensgeschichte erdichtet: Galbraith sollte laut Autoren-Beschreibung angeblich bis 2003 für das Militär gearbeitet haben und dann in den privaten Sicherheitssektor gewechselt sein.
Am Montag war weder vom Verlag noch von Rowling etwas zu hören. Glaubt man den Selbstbeschreibungen der durch Harry Potter zur Millionärin gewordenen Britin, dann dürfte sie abgetaucht sein. Nach dem Erscheinen von „Ein plötzlicher Todesfall“ war sie nur bei einer einzigen Veranstaltung aufgetreten, und die war nur für Fans. Denen hatte sie erklärt: „Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, Zeitungen zu vermeiden.“ Sie suche ihren Namen selber auch nie im Internet: „Das ist der sichere Weg, verrückt zu werden.“