Nick Cave und die Höllenfahrt
In seinem zweiten Roman legt er Zeugnis ab über einen Kosmetikvertreter.
Düsseldorf. In der Stunde seines Todes bereut Bunny Munro. Gesteht sein widerwärtiges Treiben, beweint sein schändliches Leben. Er ist kein netter Kerl, hat gelogen und betrogen, gehurt, gestohlen und gesoffen. Sich der Eitelkeit und Maßlosigkeit hingegeben. Drogen genommen, seine Frau in den Tod getrieben und sich einen Dreck um seinen Sohn gekümmert. In der Stunde seines Todes bittet Bunny Munro, reisender Verkäufer von Kosmetikprodukten, um Verzeihung. "Ich fand es schwer, auf dieser Welt ein guter Mensch zu sein." Ihm wird vergeben.
Seine Höllenfahrt, die von einem Betonmischer zermatscht auf einer Straße ihr Ende findet, beginnt wenige Tage vorher in Südengland. Gerade hat sich seine Frau Libby, schwer unter Depressionen und Bunnys Weibergeschichten leidend, das Leben genommen. Plötzlich steht Munro mit seinem neunjährigen Sohn Bunny junior allein da und hat keine Ahnung, was mit ihm anstellen. Also macht er, geplagt von Albträumen, das einzig Angemessene, packt den Sohn und jede Menge Drogen in den ramponierten Fiat Punto, um einsamen Ehefrauen seinen Kosmetik-Tand aufzuschwatzen.
Es wird eine Fahrt ins sichere Ende, daran besteht schon auf den ersten Seiten des zweiten Romans von Nick Cave kein Zweifel. Bunny Munro, der widerliche Lüstling, ist verflucht. Große Mühe gibt sich Cave überdies nicht, für seinen lüsternden Helden um Sympathie zu werben. Die hat der Leser bestenfalls für Bunny Junior, der mit chronisch entzündeten Augen die grotesken Ausfälle des geliebten Vaters betrachtet und den Untergang nicht aufhalten kann.
Leichte Kost ist der zweite Roman von Musiklegende Nick Cave sicherlich nicht - wenngleich das Buch stellenweise hochkomisch ist. Ihn umweht Schwermut und Misantropie eines fein ziselierten Nick-Cave-Songs, und es gehört nicht sehr viel dazu, sich den Ex-Junkie Cave als den tragischen Helden Munro vorzustellen. Nicht nur, weil der australische Autor mittlerweile sehr bürgerlich mit seiner Frau und den beiden jüngsten Söhnen im südenglischen Brighton lebt.
Entstanden ist die Idee zum Roman angeblich auf einer Tour von Nick Cave, aus Notizen, die der Düstermann auf seinem iPhone speicherte. Geschrieben hat er ihn in seinem Kellerbüro, in das der mittlerweile 52-jährige geläuterte Bürgerschreck jeden Morgen hinabsteigt. Ein Tisch sei ihm lieber gewesen als ein Bett, gab er dem "Spiegel" zu Protokoll. Einen Tisch als Herd-Substitution, den er in elf Jahren Heroinsucht und mehr als 20Jahren im Musikgeschäft selten hatte.
"Der Tod des Bunny Munro" ist kein geniales Buch, aber ein über alle Maßen lesens- und empfehlenswertes. Nick Cave ist auf dem Weg, ein großer Schriftsteller zu werden, seinen eigenen Stil hat er durch ständige Songschreiberei längst gefunden. Wenn, ja, wenn die Produktion nur etwas konstanter würde. "Und die Eselin sah den Engel", sein Erstling stammt aus den 80er Jahren. Aber da hing Cave ja noch an der Nadel.