„Parzival“ in prächtiger Neuausgabe
Berlin (dpa) - Der Heilige Gral bewegt seit mehr als 800 Jahren die Fantasie der Menschen: Als geheimnisvoller Kelch, als Wunder wirkender Stein oder als Kraftquelle einer mythischen Ritterschaft wurde er beschrieben.
Aus der Sagenwelt des Mittelalters kommend fand er Eingang in immer neue Erzählungen, Romane, Musikwerke, Fantasy-Literatur und Hollywoodfilme. Heerscharen von Abenteurern bemühten sich vergeblich ihn zu finden.
Die bedeutendste deutsche Grals-Erzählung ist der „Parzival“ des Wolfram von Eschenbach. Der Reclam-Verlag hat das vermutlich zwischen 1200 und 1210 auf Mittelhochdeutsch entstandene Versepos jetzt in einer Prosaübersetzung neu herausgebracht. Der prachtvoll aufgemachte Band enthält auch 18 Bilder des Malers und Grafikers Dieter Asmus.
„Parzival“ ist eigentlich ein Bildungsroman, der die Entwicklung des Titelhelden vom jugendlichen Tölpel zum erwachsenen Ritter und schließlich zum Herrscher beschreibt. Der junge Parzival wächst in völliger Abgeschiedenheit auf. Weil sein Vater noch vor seiner Geburt im Kampfe fiel, will ihn seine Mutter vor den Gefahren der Welt behüten. Irgendwann reißt er sich aber los. Er geht an den Hof des Königs Artus, wo er wegen seiner Torheit verlacht wird.
Auf seinem weiteren Weg gelangt Parzival zum ersten Mal auf die geheimnisvolle Burg Munsalvaesche. Dort sieht er eine Zeremonie mit dem wundersamen Gral. Mit dabei ist Gralskönig Anfortas, sein Onkel, der wegen einer unheilbaren Wunde dahinsiecht. Um ihn zu erlösen, müsste ihn der junge Held nun nach seinem Leiden fragen, doch das tut er nicht. Am nächsten Tag ist die Burg menschenleer, Parzival muss wieder durch die Lande irren. Die Gralsburg soll er erst nach vielen Jahren vergeblicher Suche wiederfinden. Nun ist er gereift, stellt die entscheidende Frage („Oheim, was tut dir weh?“), erlöst Anfortas und wird selber Gralskönig.
So weit die Kernhandlung. Eine weitere Hauptfigur ist Parzivals Freund und entfernter Vetter Gawan, ein Ritter aus Artus' Tafelrunde. Es ist eine verschlungene Erzählung rund um die höfisch-ritterliche Kultur des Hochmittelalters. Es geht um das Streben nach Ruhm und Ehre und auch um Liebe. Parzival heiratet die Königin Condwiramurs, die er aber wegen seiner Wanderungen erst nach Jahren wiedersehen wird. Gawan macht der stolzen Herzogin Orgeluse den Hof, die ihn erst verspottet, ihn dann aber doch nimmt. Er muss auch dem bösen Zauberer Klingsor im Schloss Schastel Marveile das Handwerk legen.
Außerdem geht es in Eschenbachs Werk um religiöse Motive wie Sünde und Buße. Parzival muss einen leidvollen Weg gehen. Nachdem er von der Gralsbotin Cundrie verflucht wurde, hadert er mit Gott. Der Einsiedler Trevrizent, ebenfalls ein Onkel, führt Parzival zum christlichen Glauben zurück. Erst jetzt ist er fähig, die Gralsburg wiederzufinden, die sich nur dem zeigt, der erwählt ist.
Eschenbachs „Parzival“ ist eine der berühmtesten deutschen Dichtungen des Mittelalters. Die vielleicht bekannteste Adaptation ist Richard Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“. Die jetzt vorliegende Neuausgabe von Eschenbachs Epos ist in der Übersetzung Peter Knechts gut lesbar. Ein Nachwort erläutert die Bilder von Dieter Asmus und führt durch die Handlung. Weitergehende Informationen zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des „Parzival“ sucht man jedoch vergeblich. In der teuren Prachtausgabe fehlt auch ein Glossar der im Text verwendeten mittelhochdeutschen Ausdrücke. So muss der Leser zum Online-Lexikon greifen, um Wörter wie „Achmardî“ (ein Seidenstoff), „Kursît“ (ein Kleidungsstück) oder „Agraz“ (eine Art Brühe) zu verstehen.
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Übersetzung von Peter Knecht, Nachwort von Volker Mertens, Bilder von Dieter Asmus. Philipp Reclam jun., Stuttgart, 428 Seiten, ISBN 978-3-15-010708-9