Aus dem Nachlass Rückkehr einer Legende: „Hotzenplotz“ ist wieder da
Stuttgart (dpa) - Natürlich kommt die Idee, auf welche Weise der „gefährlichste Räuber im ganzen Landkreis“ dieses Mal dingfest gemacht werden kann, wieder vom Kasperl.
Wie gewohnt versteht es Seppel den Plan erst mal nicht so recht, kratzt sich am Kopf, ist dann aber begeistert dabei: „Das ist ja obergroßartig, Kasperl. So machen wir es.“
Beliebte Muster aus den drei „Hotzenplotz“-Bänden von Otfried Preußler (1923-2013) aus den 60er und 70er Jahren tauchen auch im neuen Buch „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ auf, das nun im Stuttgarter Verlagshaus Thienemann erschienen ist. Fünf Jahre nach dem Tod des Autors ist es aber eher als unverhoffte Ergänzung des Klassikers zu sehen, denn als Fortsetzung. Nahtlos passen könnte sie irgendwo zwischen die ersten beiden Teile.
Für Otfried Preußler war sein „Hotzenplotz“ mit dem Erscheinen des dritten Bandes vor fast 45 Jahren komplett. Ohnehin war der Geschichtenerzähler, wie er sich gerne nannte, kein Freund von Fortsetzungen. Dass er noch die kurze Geschichte „Die Fahrt zum Mond“ in der Schublade hatte, war seiner Tochter Susanne Preußler-Bitsch und dem Stuttgarter Verlagshaus Thienemann nicht bekannt, wie beide betonen. Tatsächlich soll sie aber im „Das große Reader’s Digest Jugendbuch 10“ aus dem Jahre 1969 schon zu lesen gewesen sein, wie der Verlag berichtet.
Wie dem auch sei, die Tochter des Autors entdeckte im Nachlass ihres Vaters das als Kasperlspiel angelegte Theaterstück, und arbeitete es in ein „erzähltes Kasperltheater zwischen zwei Buchdeckeln“ um, wie sie sagt. Wie gewohnt beginnt und endet das Abenteuer im Häuschen von Kasperls Großmutter. Alles Weitere reiht sich ein in die Erzählungen von Otfried Preußler, inklusive bei Kindern beliebter Namensdreher: Hotzenplotz macht den trotteligen Wachtmeister Dimpfelmoser zum Wachtmoser, Kasperl und Seppel lachen über den gefangenen „Hopsenklotz“. Begriffen wie Blödian oder Halunke hört man an, aus welcher Zeit das Abenteuer stammt.
Hatte Wachtmeister Dimpfelmoser tatsächlich vergessen, den Riegel am Tor des Spritzenhauses zuzumachen? Auf jeden Fall ist der gefürchtete, aber nicht besonders helle Räuber Hotzenplotz einmal mehr ausgebüxt, was Kasperls Großmutter natürlich große Sorgen macht. Doch ihr Neffe hat einen Plan, wie der Bösewicht mit den sieben Messern, dem Säbel und der Pfefferpistole wieder hinter Schloss und Riegel gebracht werden kann. So viel sei schon verraten: Diesmal spielen jede Menge leere Kartons, Kleister und silberfarbenes Klebeband aus Großmutters Keller eine Rolle - als Zutaten für eine Mondrakete.
Den allerschwersten Job beim plötzlichen Hotzenplotz-Revival hatte sicher Illustrator Thorsten Saleina. Die genialen und detailverliebten Schwarz-Weiß-Zeichnungen der drei ursprünglichen Bände von Franz Josef Tripp (1915-1978) fortzuführen, die sich tief ins Gedächtnis gleich mehrerer Generationen eingebrannt haben, ist eine denkbar undankbare Aufgabe.
Saleina bringt Farbe ins Spiel und findet seinen Weg: Nah genug, um Kindheitserinnerungen wach zu rufen, und weit genug vom Original entfernt, das er nicht einfach kopiert. Auch die Illustration macht deutlich: Es ist eben keine Fortsetzung, kein echter vierter Band - aber vielleicht doch ein Anlass, die alten aus dem Schrank zu holen.
Otfried Preußler: Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete, Verlag Thienemann, 64 Seiten, 12,00 Euro, ISBN 978-3-522-18510-3