Vierter Teil der legendären „Häschenschule“ aufgetaucht
Stuttgart (dpa) - Bösewichte werden in der Schule nicht mehr in die Ecke gestellt, und die Ohren bekommen sie auch nicht mehr langgezogen. Trotz pädagogischer Einwände begeistert die „Häschenschule“ Generation für Generation.
2,2 Millionen Mal dürfte der Bilderbuch-Klassiker zu Ostern inzwischen verkauft worden sein - und jetzt gibt es unverhofft noch einen Zuschlag: Der Stuttgarter Verlag Thienemann-Esslinger hat einen vierten Teil veröffentlicht. „Ferien in der Häschenschule“ hat womöglich 70 Jahre in einer Schublade in München gelegen.
Die Tochter des Ehepaars Anne und Rudolf Mühlhaus hat das Manuskript des vierten Teils entdeckt, wie der Verlag mitteilt. Es ergänze die Reihe perfekt: Drehte sich in den bisherigen Büchern alles um den Schulalltag, darf Hasenjunge Fritz jetzt endlich mal Ferien haben. „Wie die Brötchen knusprig munden - in den ersten Morgenstunden. Vater sagt: Wir wandern heut - in der schönen Ferienzeit!“, heißt es.
Das Ehepaar Mühlhaus hatte den mehr als 90 Jahre alten Klassiker des Autors Albert Sixtus und des Künstlers Fritz Koch-Gotha bereits 1947 mit dem dritten Band „Ein Tag in der Häschenschule“ ergänzt. „Wir gehen davon aus, dass der neue Teil auch aus dieser Zeit stammt“, sagt Sibylle Schumann vom Thienemann-Verlag.
„Kein Ostern ohne die 'Häschenschule'!“, hat Schriftstellerin Elke Heidenreich einmal gesagt. Irgendwie kennt es jeder. Das Original erschien 1924. Der Stuttgarter Verlag hat neben dem Bilderbuch inzwischen auch andere Ausgaben im Programm: als Mini, Pop-up oder Puzzlebuch. Übersetzt wurde die „Häschenschule“ für Italien, China, Japan, Korea, England und Russland. Außerdem gibt es diverse Dialektfassungen, etwa auf Plattdeutsch, Schwäbisch, Bayerisch, Kölsch. Und sogar auf Latein.
Mareile Oetken, Koordinatorin für Jugend- und Kinderliteraturforschung an der Uni Osnabrück, vergleicht die „Häschenschule“ mit Henrich Hoffmanns „Struwwelpeter“ oder Else Urys „Nesthäkchen“. Solche Bücher würden von Generation zu Generation weitergegeben. „Emotional aufgeladen“ seien sie. Man erkenne sie wieder, verbinde Erinnerungen damit und gebe sie weiter. Gutes und Böses werde klar benannt. „Das Buch hat eine große Moral.“ Ein Erfolgsrezept sei der Anthropomorphismus, also die Vermenschlichung der Tiere.
Der Thüringer Albert Sixtus (1892-1960) hatte die Schulgeschichten um Hasengretchen, Hasenhans, den frechen Hasenmax, die strebsame Hasenmine und ihren autoritären Lehrer samt Weste und goldener Uhrenkette schon 1922 geschrieben. Schwer verwundet war er aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, wollte Lehrer werden - und dichten. In den nächsten 30 Jahren sollten mehr als 50 Bilderbücher, Märchenbücher und Jugendromane von ihm veröffentlicht werden.
Seine legendären Verse zur „Häschenschule“ wurden - versehen mit den Illustrationen des Zeichners Fritz Koch-Gotha (1877-1956) - 1924 veröffentlicht. In der Schule im Wald bekommen die Häschen alles beigebracht, was ein Hase wissen sollte: Pflanzenkunde, Gartenarbeit, Ostereierverzieren und - ganz wichtig - Hakenschlagen.
Das Bilderbuchmuseum in der Burg Wissem in Troisdorf zeigt in einer Ausstellung über Ostern (21. Februar bis 15. Mai) das Manuskript, Originalzeichnungen und die Deckelbildentwürfe der „Häschenschule“. Dort heißt es zum Erfolgsrezept: „Seine Langlebigkeit verdankt das Buch der künstlerisch gekonnten, humoristischen Darstellung einer traditionellen Dorfschule, bei der Koch-Gotha romantische Verklärung mit freundlicher Parodie und sanftem Spott erfolgreich verbindet.“
- Ferien in der Häschenschule“ von Anne und Rudolf Mühlhaus, 40 Seiten, ISBN 978-3-480-40106-2, 9,99 Euro, Esslinger Verlag