Bedrückend, erdrückend - „Der Kaufmann von Stuttgart“
Stuttgart (dpa) - Die Bühne ein riesiger Davidstern, umgeben von meterhohen Mauern. Die Geschichte so erdrückend wie erwartet. In seiner Heimatstadt - unweit seiner Hinrichtungsstätte - schildert das Schauspiel „Der Kaufmann von Stuttgart“ Aufstieg und Fall des jüdischen Finanzberaters Joseph Süß Oppenheimer (1698-1738) im 18. Jahrhundert.
Viel Applaus gibt es am Donnerstag im Alten Schauspielhaus - doch die Zuschauer der Uraufführung haben auch viele nachdenkliche Momente. Oppenheimer war 200 Jahre später von den Nazis im Hetzfilm „Jud Süß“ diffamiert, sein Leben für üble Propaganda genutzt worden.
„Von seinen Feinden gejagt, über die Jahrhunderte verfemt, wird ein Stuttgarter Politiker rehabilitiert“, heißt es. Intendant Manfred Langner, der für die Stuttgarter Inszenierung verantwortlich zeichnet, spricht von einem Stoff „der uns viel zu denken gibt“. Der israelische Autor Joshua Sobol (73) porträtiert den 1783 in Stuttgart hingerichteten Oppenheimer - überzeugend verkörpert von Tilmar Kuhn - als gewieften „Geheimen Finanzrat“ des Herzogs Karl Alexander von Württemberg (Michael Hiller), dessen moderne Ideen etwa zur Reform der Finanzbehörden und des Steuersystems dem Hof aber auch bei den Ständevertretern von Anfang an ein Dorn im Auge waren.
Mit dem plötzlichen Tod seines Förderers und Auftraggebers Karl Alexander 1737 wird Oppenheimer zum Opfer eines Justizmords. Angeklagt etwa wegen Hochverrats, Münzverschlechterung und intimer Beziehungen zu christlichen Frauen wird er zum Tod durch den Strang verurteilt. Sechs Jahre lang wurde Oppenheimers Leichnam auf dem Stuttgarter Galgenberg in einem eisernen Käfig zur Schau gestellt.
Die Geschichte Oppenheimers fand sich immer wieder in
Kunst und Literatur. 300 000 Mal verkaufte sich zwischen 1925 und
1933 allein der Roman von Lion Feuchtwanger. Zuvor hatte sich auch
Wilhelm Hauff 1827 dem Thema in einer Novelle angenommen. Eine
eindeutig antisemitische Stoßrichtung erhielt die Geschichte aber
mit dem Nazi-Hetzfilm „Jud Süss“ von Veit Harlan (1899-1964).
Reich, verschlagen und bösartig - ganz im Sinne des Auftraggebers, Reichspropagandaminister Joseph Goebbels - bedient der Film alle üblen Vorurteile gegen Juden. Goebbels soll „Jud Süss“ geliebt haben. „Der Film hat einen stürmischen Erfolg. Der Saal rast. So hatte ich es mir vorgestellt“, schrieb er 1940 in sein Tagebuch. 20 Millionen sahen ihn allein in Deutschland, gezeigt wurde er in 21 Ländern. Heute darf er nicht mehr ohne Kommentar gezeigt werden.
Der Stoff war zuletzt auch wiederholt Thema bei den Nibelungen-Festspielen in Worms (Rheinland-Pfalz). Im August 2012
feierte das Stück „Das Vermögen des Herrn Süß“ Premiere. Intendant Dieter Wedel inszenierte auf der Freiluft-Bühne am Dom zum zweiten Mal in Folge die tragische Lebensgeschichte Oppenheimers.