Starglanz im Mariinski mit Netrebko und Domingo

St. Petersburg (dpa) - Es ist Russlands Kulturereignis des Jahres: Mit einer glanz- und klangvollen Gala feiert Stardirigent Waleri Gergijew sein neues ultramodernes Opern- und Balletthaus in St. Petersburg.

Das Mariinski II, eine halbe Milliarde Euro teuer, besteht seine Klangpremiere fulminant - mit dem konzentrierten Maestro zwei Stunden lang am Pult.

Der berühmteste Star der Metropole, Anna Netrebko, reißt im langen Silberkleid mit Arien von Tschaikowski, Mozart und Verdi das handverlesene Publikum mit. Der charmante Tenor Plácido Domingo singt Wagner. Noch bis zu diesem Samstag bestreiten die beiden und andere Operngrößen den Eröffnungsreigen für das modernste Theater des Riesenreichs.

Mit einem Mix aus klassischer russischer Ballett- und Opernkunst und Werken großer westeuropäischer Komponisten meistert Gergijew am Donnerstag die Gala zum Auftakt. Der einzige Hit des Abends: „Happy Birthday! Dear Waleri!“ zum 60. Geburtstag des Pultstars.

Die sensible Musikmischung führt die schon vorab gerühmte und in Russland einzigartige Akustik vor. Hausherr Gergijew lässt zudem alle Raffinessen der sich drehenden, teilenden, hebenden und senkenden Bühne vorführen. „Der neue Saal bietet unglaubliche Möglichkeiten“, schwärmt er an dem Festtag. Auch Umbauten gehen nun viel schneller.

Die bisher mehr als 700 Aufführungen im Jahr am alten Mariinski aus Zarenzeiten und im separaten Konzertsaal will Gergijew durch das dritte Haus nun wohl auf über 1000 steigern. 2015 wird er zudem Chef der Münchner Philharmoniker.

Im Mariinski sind nun alle auf der neuen Bühne: die Chöre, die legendäre Balletttruppe und das Orchester. Auch die Solistin Olga Borodina mit ihrem warmen Mezzosopran und der kraftvolle Bassbariton Jewgeni Nikitin begeistern. Am Ende ist auch der Münchner Klangmeister Jürgen Reinhold von der Firma Müller-BBM hingerissen. „Ein Genuss“, sagt er. Die Gala endet mit langen Ovationen.

Es ist Kremlchef Wladimir Putin, der in dem Staatstheater zuerst auf die Bühne tritt, um den Musentempel als aktuell modernstes Haus weltweit zu preisen. Er verspricht, nach der Moskauer Bolschoi-Neueröffnung nun auch die Provinz stärker anzugehen.

Putin redet auch davon, dass viele St. Petersburger den kastenförmigen Klotz aus hellem Sandstein mit großen Glasfassaden kritisiert hätten. Seine Heimatstadt gilt bei Touristen als Venedig des Nordens wegen der Kanäle und der von der Unesco zum Welterbe erkorenen Altstadt. Nun sei ein Traum Gergijews von 1997, als Russland in Armut und Chaos versank, in Erfüllung gegangen. Mit 25 Millionen Euro jährlich werde der Staat den Komplex unterhalten.

„Es ist wohl die schönste Stadt der Welt“, schwärmt Architekt Jack Diamond. Er sieht den 80 000 Quadratmeter großen Neubau als Krönung seines Lebenswerks und läuft zufrieden durch die weiten und luftigen Foyers mit hohen Säulen, freien Treppen und Swarowski-Kristallen. Der Clou des Luxus ist der von außen wie Bernstein funkelnde Zuschauerraum aus gelbem Onyxmarmor, von hinten beleuchtet.

Es ist eine Hommage an das verschollene Bernsteinzimmer, das im Katharinenpalast in der Nähe nachgebaut wurde. Der Zuschauersaal selbst in klassischer Hufeisenform mit viel Buchenholz hat nur drei Galerien für besseren Klang. In den meisten Opernhäusern drängen sich fünf Ränge bis an die Decke.

Nach der Eröffnung hoffen die St. Petersburger, das Haus bald zu erleben. Vor allem viele ausländische Gäste bedauern, dass Hunderte Plätze bei der Gala am Donnerstagabend frei bleiben. Angesichts der Kremlfunktionäre, staatstreuen Kulturschaffenden und Oligarchen im Saal hinterfragten einige die Einladungspolitik des Hauses.