Claus Peymann: Keine Lust auf die neue Zeit

Claus Peymann ist streitbarer Theatermann aus Leidenschaft. Mit modernen Bühnen-Spektakeln hat er nichts am Hut.

Berlin. Er brennt für das Theater. Claus Peymann, der am Donnerstag seinen 75. Geburtstag feiert, macht sich Sorgen um die Zukunft der Bühnenkunst in Deutschland. Ein Gespräch über Selbstzerstörung, fragliche Avantgarde und Papp-Masken mit dem Konterfei von Julia Timoschenko.

Herr Peymann, Ihr Berliner Ensemble haben Sie zuletzt als eine Art Museum bezeichnet. Was meinen Sie damit?

Claus Peymann: Ich habe auf den böse gemeinten Vorwurf, dass ich Direktor eines Museums bin, positiv geantwortet. Ich habe dem Begriff des Museums etwas sehr Schönes abgewonnen — das Museum als ein Ort des Bewahrens. Nur am Theater findet diese exzessive Selbstzerstörung statt. Denn genau das ist es, was die Theater im Moment betreiben.

Wieso betreiben die Theater Selbstzerstörung?

Peymann: Ich meine damit vor allem die Zerstörung der Literatur. Die großen Stoffe, die großen Geschichten werden einfach zerstückelt, marginalisiert und ironisiert. Die Rechnung liegt ja auf dem Tisch: die meisten Theater werden nicht mehr gut besucht. Oft sind sie zur reinen Selbstdarstellungsbühnen geistig unterbemittelter Regisseure geworden. Da muss nur einer auf einem Fakirbrett liegen und sich öffentlich einen runterholen, und schon gilt das als Avantgarde. Damit will ich nichts zu tun haben, damit hat das Berliner Ensemble nichts zu tun. Und wenn das die neue Zeit ist, dann Goodbye!

Sie gehören zu den politischsten Theatermachern in Deutschland. . .

Peymann: . . .zumindest von meiner persönlichen Position aus. Ob das in unserer Arbeit im Berliner Ensemble immer sichtbar wird, muss ich leider auch bezweifeln. Oft fehlt es an Stoffen. Ich bedauere, dass wir nicht Stücke bekommen, die mehr mit unserer Gegenwart zu tun haben. Außer der „Dreigroschenoper“ gibt es kein Stück zum Thema Banken — dem neuen Krebs unserer Gesellschaft.

Ihr derzeitiger Vertrag läuft noch zwei Jahre. Was passiert danach? Können Sie sich ein Leben ohne Berliner Ensemble vorstellen?

Peymann: Ich muss mir das irgendwann vorstellen, weil ich es dann auch nicht mehr will. Jetzt bin ich froh, dass diese zwei letzten Jahre demnächst anfangen. Und wer weiß, vielleicht mache ich dann was ganz anderes: fahre mal nach Amerika. Oder ich bin in meinem Garten glücklich.

Arbeiten sie selbst im Garten?

Peymann: Viel zu wenig. Weil ich keine Zeit habe. Im Gegensatz zu meinen Regiekollegen bin ich ja den ganzen Tag im Theater — notfalls sogar an der Kasse. Ich bin halt ein Prinzipal alter Ordnung und bin in dieser Hinsicht eine Art Anachronismus — ein staunenswertes Monstrum, das noch immer eine bestimmte Ethik des Berufs hochhält.

Sie sind großer Fußballfan — sollte man die EM in der Ukraine wegen der politischen Situation boykottieren?

Peymann: Ein Boykott wäre Quatsch. Aber ich habe mal gedacht, Angela Merkel und noch 20 andere müssten sich so eine Papp-Maske mit dem Gesicht von Timoschenko aufsetzen.

Ihren Geburtstag feiern Sie mit den Besuchern, die an diesem Abend im Berliner Ensemble sind.

Peymann: Ich freue mich, dass Gert Voss an dem Abend „Einfach kompliziert“ spielt. Und ich freue mich jetzt schon, wenn ich mich dann verbeuge — und dann geht es im Hof noch ein bisschen unter die Leute.