Bühne Die unglaubliche Reise des Phileas Fogg
Die musikalische Revue „In 80 Tagen um die Welt“ begeistert die Zuschauer im Zirkuszelt auf dem Düsseldorfer Corneliusplatz.
Düsseldorf. Düsseldorf — Top, die Wette gilt! „In 80 Tagen um die Welt“ zu reisen, mit modernen Verkehrsmitteln — darum wettet der britische Wissenschaftler Phileas Fogg 1872. Und bricht unverzüglich auf, mit gepudertem Charme und Zylinder, begleitet von seinem Diener Passepartout und seiner Gefährtin Molly Thehearn. Letztere von Fogg selbst produziert, als „KI“, zu Hochdeutsch: als künstliche Intelligenz, verkabelt und zunächst an der Steckdose hängend.
Ab durch die Mitte geht’s, per Zug, Luftschiff, Auto, aber auch mit fantastischen Unterwasser-Touren im Körper von Moby Dick oder per interplanetarischem Flugkörper. Sie springen dabei über Kontinente und Zeitgrenzen, juxen herum und lassen Schwerkraft außer Acht, manchmal auch die Regeln der politischen Korrektheit. Rasant und komisch, gewitzt und gewürzt mit allerlei Satire und heutigem Kabarettwitz — so bringen Leonhard Koppelmann und Peter Jordan den Kult-Roman von Jules Verne jetzt in Düsseldorf auf die Bühne.
Als musikalische Revue in röhrendem Sound und verwegene Zeitreise, als zirzensisches Spiel mit Comedy-Figuren, für die ganze Familie. Kinder, Eltern und Großeltern hatten bei der Premiere großes Vergnügen. Und jubelten am Ende der flotten drei Stunden. Sie feierten das Regieteam und sieben Mimen, die auch ganz gut singen und tanzen können.
Wo? Im Zirkuszelt auf dem Corneliusplatz, am Ende der Königsallee. Dort, wo das Düsseldorfer Schauspielhaus aus der Not eine Tugend macht. Denn wegen der Sanierung des Theaters am Gründgens-Platz, die ewig und drei Tage dauern wird (manche munkeln, bis 2020), müssen Intendant Wilfried Schulz und seine Crew an zahlreiche Orte ausweichen.
Da Schulz nun Theater für die ganze Familie machen will, scheint nichts besser geeignet als ein Zirkus mit einer zündenden Live-Band und wandlungsfähigen, sportiven Schauspielern, die sich für eine gute Comedy-Show nicht zu schade sind. Im Zirkus, wo auch Erwachsene träumen, die Grenzen von Raum und Zeit überwinden können und sich zur Abwechslung mal nicht durch einen gedankenschweren Abend quälen müssen, sondern nach drei Stunden gut gelaunt das Zelt verlassen können. Nicht mehr bieten Koppelmann und Jordan mit dieser Jules-Verne-Revue. Wollen es auch nicht.
Der Roman, unzählige Male verfilmt, birgt genügend Freiraum für Fantasie, Fantasy und Wissenschafts-Spielchen, sodass das Regie-Duo aus dem Vollen schöpfen kann. Da thront über allen und allem Queen Victoria, klimpert mit den Wimpern und wird dem tapferen Fogg samt seiner mutigen Entourage zum Maskottchen. Um das Zirkusrund ist eine transparente Leinwand gespannt, darauf projiziert: Schwarz-Weiß-Filme der Jahrhundertwende, vom Aufbruch der Massengesellschaft, von Bahnhöfen, Straßen und Häfen. Mal sind’s Bilder aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, dann plötzlich nach dem Zweiten und wieder aus der Gründerzeit.
Slapsticks über den Sündenpfuhl Paris (Thiemo Schwarz mimt hinreißend grotesk ein Moulin-Rouge-Girl) und über die ach so gut organisierten deutschen Grenzbeamten erheitern. Klar, dass das ohne den Griff in die Klischeekiste nicht funktioniert. Darunter gemischt a bissel Ironie und Sarkasmus, auch in Sachen Balkanländer, Ägypten, Indien oder China.
Die Darsteller brillieren besonders, wenn sie Slangs, ausländische Akzente und Dialekte imitieren. Nicht weniger als Sänger in Shownummern wie „In eighty Days around the World“, „India“ oder „I’m in Love with an Alien“. Denn der Lakai Passepartout (Jonas Friedrich Leonhardi) verliebt sich bei einem Ausflug ins All in das unheimliche Wesen mit goldenem Panzer aus dem US-amerikanischen Science-Fiction-Horrorfilm. Nicht zu vergessen die Schnulze „Together forever“, die im Finale das Happy End für das Liebespaar Molly und Fogg einleitet. Schmachtende Melodie und kitschige Posen, ähnlich wie im Musical.
Alle Rollen sind exzellent besetzt. So Torben Kessler als verstiegener, naiver Wissenschaftler und betulicher Brite Fogg; Judith Bohle, die als Dienstmädchen, Rennfahrerin und Badenixe mit Goldkappe eine blendende Figur macht und allen Affen Zucker gibt. Ebenso Andreas Grothgar als Mafiaboss und Bad Guy Fixx und Martin Esser, der den unbestechlichen Zollbeamten genauso überzeugend spielt wie den Methusalem oder die Queen.
Wertung:
Stück: vier von fünf Punkten
Regie: vier von fünf Punkten
Bühne: fünf von fünf Punkten
Darsteller: fünf von fünf Punkten