Düsseldorfer Kultur Schauspiel im Central: Romeo und Julia und kein Ende in Sicht
Bernadette Sonnenbichler inszeniert in Düsseldorf die Liebesgeschichte in gelungenen Bildern. Dem Dreistundenabend fehlt indes der dramatische Bogen.
Düsseldorf. Der Schluss fehlt. „Denn niemals gab es ein so herbes Los als Julias und ihres Romeos“ steht am Ende dieser wohl dramatischten Liebesgeschichte der Theaterliteratur. Regisseurin Bernadette Sonnenbichler lässt ihn weg. „Krieg“ und „Rache“ schreien die Capulets und Montagues stattdessen. Unerkennbar stehen sie im Nebel — ganz wie am Anfang des dreistündigen Abends. Der Streit wird weitergehen, das Hassen und Morden. Daran ändert auch der Tod dieser Liebenden nichts, die nun, da alles Leid durchlitten, die Augen aufschlagen und sich in den Armen halten.
Wie es Romeo und Julia im Reich der Toten ergeht, spielt wohl auf einer anderen Bühne. Die neue Düsseldorfer Hausregisseurin lässt keine Hoffnung, dass die in drei Stunden vorgeführte unmögliche Liebe zwischen den beiden Sprösslingen verfeindeter Familien etwas am Lauf des Lebens ändern könnte. Es war eine kleine Episode im grauen Einerlei, in dem ein böses Wort das andere fordert und sich die Menschen wenig Mühe geben, über den eigenen Schatten zu springen.
Die hochgelobte, 34-jährige Theaterfrau schafft eine eindrucksvolle Kulisse, versetzt die Handelnden in einen Raum, der wie ein riesiger Röhrenfernseher wirkt (Bühne: David Hohmann). Grau, Schwarz und Weiß sind die Farben der Kleider, grau sind Boden und Wände — die dem Gitternetz des Testbildes vergangener TV-Tage ähneln. Hier treten sie auf: der vulgäre Mercutio (Andrei Viorel Tacu), der um Tabus zu brechen auch mal schlechte Türken-, Polen- und Flüchtlingswitze reißt, Benvolio (Alexej Lochmann), der über sich selbst am meisten lacht, und Romeo (Stefan Gorski), der von gleichem Schlage scheint. Sie alle passen bestens ins Serienbild, das sie entwirft, ohne platt ins Hier und Heute zu verweisen.
Bei den Capulets tänzelt eine esoterisch verstrahlte Julia (Lou Strenger) durch die Zuschauerreihen und verteilt Rasseln. Ihre Mutter (Claudia Hübbecker) geht es „psychologisch an“, wenn sie die Tochter an den richtigen Mann bringen will, und tritt so auf, wie jeder Soap-Drehbuchschreiber sie entwerfen würde — selbstsüchtig, herrisch und auf eine sexy Erscheinung bedacht. Karin Pfammatter hat als Amme mit rotem Schopf Pumuckl-Appeal. Wenn sich die Männer gegenseitig die Stöcke um die Ohren hauen, fühlt man sich an die Schauspielschule versetzt. Soweit die schöne graue Vorabend-Welt.
Sonnenbichler unterläuft die Kitschgefahr dieser Romanze, in dem sie die Allgegenwärtigkeit und unsere ständige Berieselung mit dem vorführt, was Shakespeare bewegte. Dabei büßt sie aber den dramatischen Zug ein, den diese langsam inszenierte Tragödie bis zu ihrem tödlichen Ende braucht. Die Unbedingtheit und Unschuld, mit der Romeo und Julia sich lieben, kann weder in der Anlage der Inszenierung noch im Spiel der Darsteller überzeugen. Trotz einiger großartiger Bilder, die wie Stills den Moment festhalten, fehlt das im berühmten Schlusssatz verfasste herbe Los der Julia und ihres Romeos.
Wertung & Termine
Regie: 3 von 5 Punkten
Darsteller: 3 von 5 Punkten
Bühne: 3 von 5 Punkten
Termine: drei Stunden mit Pause im Central am Hauptbahnhof, Vorstellungen am 27., 30. September, 11., 19., 24., 26. und 27. Oktober jeweils 19.30 Uhr, Karten: Telefon 369911