„Einmal um die ganze Welt“ mit Goethes „Faust“

Weimar (dpa) - Nach Jahren der Abstinenz hat die Klassikerstadt Weimar wieder einen „Faust“. Und was für einen. Der neue Generalintendant Hasko Weber inszenierte zum Auftakt seiner ersten Spielzeit am Deutschen Nationaltheater einen äußerst erfrischenden ersten Teil von Goethes großem Menschheitsdrama.

Das Premierenpublikum belohnte die Leistung von Regieteam und Ensemble am Freitagabend mit langem Beifall - vereinzelte Buhrufe mischten sich darunter. Webers „Faust“-Version ist lebendig, ironisierend und sprudelt vor Einfällen.

Lutz Salzmann spielt hervorragend den von Tabletten abhängigen, vom Selbstzweifel zerfressenen und nach umfassender Erkenntnis lechzenden Gelehrten Faust, der den Pakt mit dem Teufel (Sebastian Kowski) eingeht. „Den schlepp' ich durch das wilde Leben, durch flache Unbedeutendheit“, ist dessen Ziel. Stück für Stück sinkt Faust in seinen Ansprüchen auf seiner Reise „vom Himmel durch die Welt zur Hölle“ bis auf das Niveau der von ihm verachteten Saufenden im Leipziger „Auerbachs Keller“.

Immer mehr nähert er sich Mephisto an, trägt schließlich dessen Mantel und Sonnenbrille. Gretchen (überzeugend: Nora Quest), die durch ihn zur Mutter- und Kindsmörderin wurde, erkennt seine Verderbtheit und stirbt lieber, als mit ihm zu fliehen. Nur halbherzig hat Faust den Rettungsversuch vorgebracht. Der Teufel hat ihn am Ende fest im Griff: „Her zu mir!“

Inszenierungen der „Faust“-Tragödie haben in Weimar Tradition und werden vom Publikum immer mit Argusaugen betrachtet. Weber will mit dem Stück ein Signal an die Weimarer setzen. An der einstigen Wirkungsstätte Johann Wolfgang Goethes ist das nicht ohne Risiko für die weitere Intendantenzeit.

Faust, der sich als Ebenbild Gottes sieht, hat bei Weber und seinem Regieteam nicht mehr das ewig Drängende, Vorwärtsschreitende. Es dominiert der gescheiterte Faust, der von seinem Trieb bestimmt wird und „in der Brust“ die Erkenntnis sieht.

Schon in Goethes Vorspiel auf dem Theater stimmen Theaterdirektor, Dichter und lustige Person voller Witz und Ironie auf das Stück ein. Raunen, Lacher und Szenenapplaus gibt es etwa bei den vor Wollust zitternden Marthe und Mephisto. Das Leitmotiv des Teufels, von Gitarrenklang untermalt: „Einmal um die ganze Welt, und die Taschen voller Geld...“

Webers „Faust“ überzeugt durch seine nahtlosen Szenen-Übergänge. Etwa von der Hexenküche, in der Faust per Zaubertrank verjüngt wird, zur ersten Begegnung mit Gretchen. Video-Einspielungen verweisen auf die Walpurgisnacht. Dadurch ist die nur mit acht Schauspielern auskommende Inszenierung kurzweilig und spannend. Das klare Bühnenbild (Oliver Helf) unterstützt diese Konzentration auf das Wesentliche.