Interview: „Die Habgier trifft alle“
In dem Film „So glücklich war ich noch nie“, der am Donnerstag in die Kinos kommt, spielt Devid Striesow einen Hochstapler.
Herr Striesow, wie haben Sie sich ein Bild von Ihrer Figur Frank Knöpfel geschaffen?
Striesow: Alexander Adolph hat im Drehbuch eine Situation beschrieben, in die ich mich sofort hineinversetzen konnte. Alexanders Dokumentarfilm "Die Hochstapler" hat mir die Mentalität dieser Betrüger nähergebracht. Der Spielfilm ist die Quintessenz dieser echten Hochstapler-Geschichten.
Er hat aber keinen biografischen Ansatz, die Frage war, in wie viele Rollen dieses Hochstaplers sich die Leute innerhalb einer möglichst kurzen Zeit versetzen lassen. Der Knöpfel ist ein guter Schauspieler.
Striesow: Ja, weil sie jetzt in einer Größenordnung ans Tageslicht kommt, die alle trifft. Ich glaube nicht, dass das ein heutiges Phänomen ist. Rollenspiel ist eine grundsätzliche Problematik, das wird es immer geben, dass Menschen behaupten, jemand Besseres zu sein, um schneller zu Geld zu kommen. Das beginnt schon bei den kleinen Lügen.
Striesow: Es gab im Osten auch einige, die mehr scheinen wollten, als sie waren. Wir mussten aber lernen, Verantwortung zu tragen. Manche trauen sich nicht, ihr Geld selber anzulegen und sind froh, wenn einer sagt, ich mache das für Dich und am Ende kriegst Du 13 Mal soviel zurück.
Das können die größten Lügen ein, aber sie sind so froh, dass ihnen einer diese Verantwortung abnimmt. Deshalb ist das Opfer-Täter-Modell hier fragwürdig.
Striesow: Natürlich. Der Hochstapler Jürgen Harksen erzählt in der Dokumentation, dass er am Ende nicht mehr wusste, ob es dieses Investment jetzt wirklich gibt oder nicht.
Muss er nicht heute noch dieses Haus verkaufen? Und die Termine, sind die jetzt wirklich oder auch nur gesponnen? Er hat den Überblick verloren, wer er eigentlich ist. Er hat sich in einem Alltag verloren, der nur noch fiktiv ist.
Striesow: Sicherlich am Grab der Mutter. Diese Szene ist für mich die Schlüsselszene seiner Betrüger-Mentalität. Er hat früh damit angefangen, Rollen zu spielen, um die Härten seines Lebens besser verdrängen zu können.
Striesow: Ja, na klar. Im Großen und Ganzen ist er eine eher sympathische Figur, in seiner Hilflosigkeit, in seinem naiven Sich-Verlieben-Können.
Striesow: Indem er so tut, als wäre er jemand anderes, indem er den König, den Bettler, den Drogenabhängigen spielt. Er versucht seinem Publikum zu erzählen, dass er es in diesem Moment wirklich ist. Wenn er es gut macht, hat er Erfolg.
Es gibt da viele Parallelen. Natürlich hat der Hochstapler wegen der Konsequenzen den schwierigeren Job. Bei mir weiß das Publikum, worauf es sich einlässt, also ist Schauspielerei auch keine kriminelle Handlung. Nur um das mal offiziell festzuhalten! (lacht)
Striesow: Nee. Ich mache meinen Job sehr, sehr gerne. Und ich kann davon sehr gut leben. Mir machen die Drehtage großen Spaß, ich empfinde diese Arbeit als ein großes Privileg. Ich komme an Orte, die man nie besuchen würde, wenn man eine "normale" Arbeit hätte.
Ich komme mit sehr vielen Menschen zusammen. Das alles ist sehr belebend. Schnelle Ortswechsel und Massen an Informationen, die auf einen einstürmen, entsprechen meinem Naturell. "Workaholic" würde bedeuten, viel zu arbeiten, um zu verdrängen. Das ist es nicht, es ist Lust.
Striesow: (lacht) Meinetwegen. Aber ich könnte mir auch vorstellen, auch etwas anderes zu machen. Ich bin emotional nicht so sehr an den Beruf gebunden, dass ich zusammenbrechen würde, wenn er nicht mehr stattfände.
Striesow: Privat hat man natürlich die Chance, normale Dinge zu tun. Dann sind die Rollen nicht präsent. Ich nehme Geigenunterricht, treibe Sport, gehe einkaufen. Ich habe ein Kind, einen Hund - Olde English Bulldogge -, der täglich spielen will.
Striesow: Ich habe gelernt, dass auch hier nicht jeden Tag die Sonne scheint. Die Wolken quellen über den Tafelberg, als hätte die Requisite Nebel gesetzt. Sieht irre aus.
Ansonsten ist es ein Land, das die Gegensätze zwischen Arm und Reich unbarmherzig aufzeigt. Aber ich habe auch gute Eindrücke von den Menschen, die äußerst gelassen sind, zuvorkommend. Ich werde sicher hierher zurückkehren.
Striesow: Ich gucke morgens in den Spiegel, wenn ich mich rasieren muss. Und da sehe ich einen Unrasierten. Ansonsten finde ich mich nicht über den Spiegel.