Wenn niemand es mehr ahnt
Der Schriftsteller Werner Schneyder als feinsinniger Beobachter.
Düsseldorf. Werner Schneyder? Ja, klar, der Box-Kommentator. Der Mann, der mit seinen Bemerkungen sogar dem Kampfsport nicht geneigte Zuschauer vergessen ließ, dass sich da eigentlich nur zwei Männer auf die Mütze hauen. Aber das, wofür er am bekanntesten zu sein scheint, ist nur eine kleine Episode seines Schaffens.
Düsseldorf. Wer immer zuerst das Boxen erwähnt, wird ihm nicht gerecht. Schneyder ist Regisseur, Schauspieler, Kabarettist, Erzähler, Theaterdramaturg und Autor. In seinem Buch "Die Socken des Kritikers" geht es um die Welt des Kulturbetriebs.
Das Buch vereint 18 feine Erzählungen über diese Welt, ihre Macken und Besonderheiten. Manchmal ist Schneyder dabei geradezu zärtlich zu den Protagonisten.
Dann ist er subtil böse und zeichnet das Bild einer Parallelwelt, in der jeder verloren geht, der sich erst einmal hineingewagt hat. Manchmal erzählt er Schönes und gönnt seinen Figuren ein glückliches Ende, doch bisweilen dräut auch Unheil. Das kommt oft erst dann, wenn niemand mehr damit gerechnet hat.
Schneyder beobachtet gekonnt, spitzt zu, bewegt sich zwischen Satire und Verständnis. "Gestern muss es wieder sehr schlimm gewesen sein, dachte der Klavierspieler. In den letzten Monaten wird es eigentlich immer schlimmer. Ich sauf’ mich schön langsam um meinen Verstand. Ein bisschen früh für meine fünfundzwanzig", heißt es in "Klavierspieler". Der Autor deckt den Selbstbetrug auf und zeigt, wie sich jeder die Zukunft kaputtmachen kann.
Oder wie der Betrieb die Menschen kaputtmacht. "Das Gefährliche an der Kunst" erzählt die Geschichte eines schillernden Ehepaares. Das Pärchen macht sich um das kleine "Theater im Ort" sehr verdient, geht aber am Erfolg zu Grunde. Die Frau, weil sie keine Zeit mehr für das Leben hat und sich darüber selbst verliert. Der Mann an Größenwahn und Ignoranz, denn seit er erfolgreich ist, will er sich so "niederen Dingen" wie dem Theater-Budget oder seiner Frau nicht mehr zuwenden.
Immer wieder attackiert Werner Schneyder die Medien. In "Die Socken des Kritikers" beschreibt er eine junge, talentierte Bühnenbildnerin und wie diese von einem Journalisten verrissen wird: "Schade, dass die neu und wohl fahrlässig längerfristig an das Haus gebundene Ausstatterin die Opernbühne mit einer Boutique verwechselt", muss sie in der Zeitung lesen.
Beruhigen kann sie sich erst, als sie den Kritiker in einer Fernsehsendung sieht: Er, der über Geschmack und Ästhetik urteilt, ist miserabel gekleidet, vor allem an den Füßen. Dass diese Socken noch ganz andere Einflüsse auf das Leben der Bühnenbildnerin haben werden, gehört zu den wunderbaren Wendungen dieser Erzählkunst.