Welturaufführung John Malkovich als großer Diktator in der Elbphilharmonie

Hamburg (dpa) - Die dunkle Seite der Macht schleicht als Putzfrau verkleidet herbei.

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Im blauen Kittel, mit Plastikschlappen an den Füßen und buntem Kopftuch über der schwarzen Damenperücke. So betritt ein entthronter Diktator namens Satur Diman Cha den persönlichen Konzertsaal seines Palastes tief unten im Wüstenboden.

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Ein Wägelchen voller Reinigungsutensilien neben sich her schiebend - und das Maschinengewehr im Anschlag. Es ist der Hollywood-Bösewicht John Malkovich (63, „Gefährliche Liebschaften“), der die groteske Aufmachung nicht scheut und damit den effektvollen Auftakt gibt zu seiner neuen Musiktheaterproduktion „Just Call Me God“ (Nennen Sie mich einfach Gott).

Am Ende der ausverkauften Welturaufführung des 90-minütigen Auftragswerks über Machtmissbrauch und Gewaltherrschaft am Mittwochabend in der Hamburger Elbphilharmonie jubelte das Publikum. Zu sehen und zu hören war im Wesentlichen ein Dialog Malkovichs mit der renommierten Münchner Schauspielerin Sophie von Kessel als Fernsehreporterin, die mit einigen aufständischen Soldaten in die prunkvolle Höhle des Despoten eindringt und von diesem ein letztes Interview bekommt. Die Figur des bald eine schwarze Uniform tragende Satur Diman Cha wirkt dabei wie aus Versatzstücken realer Herrscher wie Gaddafi, Idi Amin, Stalin und Hitler zusammengesetzt.

Eine Paraderolle an diesem Abend aus der Schmiede des amerikanisch-österreichischen Künstlertrios Malkovich, Martin Haselböck (Musik) und Michael Sturminger (Buch und Regie) ist der Elbphilharmonie-Orgel zugedacht: Als Feldprediger Lee Dunklewood wird Haselböck vom einstigen Herrn des Hauses gezwungen, die Königin der Instrumente zu spielen und damit dessen Bedeutung zu erhöhen.

Machtvoll erklingen etwa Richard Wagners „Ritt der Walküren“ und Johann Sebastian Bachs „Alle Menschen müssen sterben“. Doch je mehr der Diktator von seinem Größenwahn offenbart, desto dissonanter dröhnen im Saal die von Franz Danksagmüller geschaffenen elektronische Verfremdungen. Sie gehen schließlich mit herausgeschrienen Phrasen des Diktators eine Art unheilige Symbiose ein.

„Macht ist die Fähigkeit, Menschen glauben zu lassen, dass du alles beobachtest, was sie tun oder sagen - und dass es dir nicht gefällt. Macht ist die Währung, mit der du der Welt heimzahlst für das, was sie dir angetan hat“, philosophiert der Schreckensmann, dem Malkovich, der Spezialist für zwielichtige Charaktere, auch humorvolle und charmante Züge verleiht. „Alles, was ich über Macht gelernt habe, ist, dass die Guten sie niemals anstreben“, antwortet von Kessels aufrechte Reporterin. Eine sexuell aufgeladene Szene, bei der die Journalistin ihrem Widersacher blitzschnell die goldene Pistole entwendet, gehört zu den Facetten ihrer Beziehung. Bei alledem hängen schwarze Banner mit Fantasielogo als Symbole des Terrorregimes auf der Bühne der fast wie ein Amphitheater gebauten Halle. Drei Leinwände verbreiten wie TV-Bildschirme das Geschehen.

Doch dürfte sich trotz des großen Beifalls nicht jeder von dem ambitionierten Projekt packen lassen. Denn viele Sentenzen, die sich hier dem Wesen und den Mechanismen von Macht annähern, klingen allgemein und konstruiert. So bleibt auch die Aussage des Diktators, „ich bin ein großer Mann, Caroline, wirklich groß“, mehr Behauptung als dass man ihre Bedeutung wirklich spüren darf. Dazu scheint die Intensität des als gefahrvoll und nahezu intim angelegten Clinchs beider Widersacher in dem Riesenraum förmlich zu verpuffen. Malkovich hat in Medieninterviews oft erklärt, kein sehr politischer Mensch zu sein. Abgründige Gestalten hatte er dafür auch bei früheren Gastspielen in Hamburg dargestellt: in „The Infernal Comedy“ (2010) als Frauenmörder Jack Unterweger und in „The Giacomo Variations“ (2011) als alternder Verführer Casanova.