Kleists Fragment bleibt Stückwerk
Frank Hoffmann inszeniert das Drama „Robert Guiskard“.
Recklinghausen. Heinrich von Kleist heißt das Schwerpunktthema der Ruhrfestspiele. Zum Auftakt einer Werkschau wagt sich Intendant Frank Hoffmann an das unvollendet gebliebene Drama "Robert Guiskard".
Die Aufführung beginnt in einem kleinen Hotel. Kleist laboriert an seinen Versen. Er wiederholt sie wieder und wieder, bis er alles frustriert verbrennt. Tatsächlich hat der reale Kleist mit keinem seiner Dramen so gerungen wie mit diesem. Es sollte eine Tragödie werden, sein bestes Stück. Knapp 20 Seiten sind erhalten geblieben. In dem Fragment will der Normanne Guiskard Konstantinopel erobern.
Die Pest hat sein Heer zermürbt. Das Volk ist kriegsmüde und will nach Hause. Die Familie Guiskards versucht, den Protest zu unterdrücken. Es wird gemunkelt, der Feldherr habe sich angesteckt. Als er endlich erscheint, bleibt offen, wie es um ihn steht. Mit der Forderung auf Rückkehr ins Vaterland bricht die Handlung ab.
Regisseur Hoffmann traut dem Stück nicht. Naheliegende politische Aktualisierungen greift er nicht auf, fügt stattdessen fremde Texte ein. Kleist geistert als Figur durch das Drama, übernimmt eine der Rollen, steht am Schluss doch hilflos vor einem literarischen Scherbenhaufen.
Noch problematischer ist, dass Hoffmann der Sprache nicht traut. Kleists komplizierte Satzstrukturen verlangen einen langen Atem. Seine Blankverse haben eine eigene Musikalität. Statt ihr zu folgen, werden die Phrasen zerhackt, wiederholt, an unterschiedliche Sprecher verteilt.
Die Textverständlichkeit bleibt so weitgehend auf der Strecke. Und es ist eine Freude, wenn endlich Thomas Thieme mit einfachem Sprachduktus zeigt, dass man Kleist am besten ohne Schnickschnack verständlich und beeindruckend rezitiert.
Im Ensemble geht jeder seinen eignen Weg. Mathieu Carrière findet als Greis kein eigenes Profil. Sören Wunderlich als Sohn, Irene Kugler als Frau und Jacqueline Maccaulay als Tochter bleiben marginal.
Dass Juliane Koren den Chor, das Volk spricht, verleiht dieser treibenden Kraft der Handlung wenig Nachdruck. Am schillerndsten wirkt Wolfram Koch in der Rolle von Kleist und Abälard. Viel zu kurz gerät der Auftritt Thiemes in der Titelrolle am Schluss des Abends.
Seine Einspielungen über Video wirken dagegen befremdlich und aufgesetzt. Da hilft auch die aufwendig ausgestattete Bühne von Katharina Pohlheim nichts. Es bleibt ein Abend des Scheiterns, nicht nur von Kleists Bestreben, sondern auch das einer Anstrengung, ein vergessenes Drama wieder zu beleben.