Micky Maus erfindet sich neu
Disneys berühmteste Figur bekommt ein neues Image verpasst – weg vom langweiligen Spießer, hin zum Rabauken.
Düsseldorf. So hat man Micky wirklich noch nie gesehen. Die Augen verdunkeln sich, die weiße Hand ist drohend in die Luft gerichtet - die sonst doch so friedliebende Saubermann-Maus ist bereit, seine Feinde in die Flucht zu schlagen. Disneys berühmteste Figur hat ein neues Image verpasst bekommen. Micky Maus darf ab sofort böse sein.
Das neue Videospiel "Epic Mickey" bringt den Bösewicht in Streber Micky zum Vorschein. In dem Spiel, das voraussichtlich im Herbst 2010 erscheint, wandert Micky durch eine düstere Welt kaputter und längst vergessener Helden aus der Geschichte des Disney-Konzerns. Den Spießer lässt Micky zu Hause: Auf einem Mississippi-Dampfer knutscht er hemmungslos mit Freundin Minnie, in einer anderen Szene benutzt er eine Gans als Dudelsack oder wirbelt eine Katze am Schwanz herum.
Disney-Animator Ward Kimball kritisierte einmal, Micky sei "die einzige Figur, die nicht glaubhaft wirkt". Nun zieht der Konzern ein ähnliches Fazit und versucht sich an einer Neuerfindung der Maus. Es scheint, als wolle Micky nicht das Schicksal seiner gescheiterten Comic-Kollegen teilen, denen er auf der Reise durch die virtuelle Spiele-Welt begegnet.
Oswald der Hase fällt im Spiel eine ähnlich tragische Rolle zu wie in der wirklichen Welt: Der von Walt Disney erfundene Oswald hatte zwischen 1927 und 1928 Auftritte in Stumm-Zeichentrickfilmen und galt als erster großer Zeichentrickheld - und als Vorgänger von Micky. Walt Disney verlor die Rechte an Oswald, und mit dem Hasen verabschiedete sich auch ein Großteil seiner Belegschaft. Oswald verschwand von der Bildfläche.
Micky Maus soll nicht das gleiche Schicksal ereilen: Spieleentwickler Warren Spector feilte nach den Wünschen des Disney-Konzerns an der langweiligen Plüschfigur und macht nun aus ihm den Rabauken. Doch nicht, ohne sich ein Hintertürchen offen zu halten: Der Spieler von "Epic Mickey" kann selbst entscheiden, ob sich Hauptdarsteller Micky dabei edelmütig wie eh und je verhält, oder ob er verschlagen und abgefeimt vorgeht.
Disney wagt sich also nur vorsichtig an die Wandlung seiner Vorzeige-Figur heran. Der Übergang zum neuen "Hau-drauf-Image" soll wohl überlegt sein. Der Konzern merkt jedoch, wie sein Aushängeschild nach und nach an Farbe verliert: In den USA werden immer weniger Werbeartikel verkauft.
Bleibt die Frage, ob die neuen Rezipienten an der Spielekonsole dem sanftmütigen Held von einst den Wandel abkaufen - ob Micky in der schrillen animierten Action-Welt überleben wird oder ob sie ihm zum Verhängnis wird.