Oper: Gekonnt in die Gegenwart geholt
„Die Heimkehr des Odysseus“ feierte Premiere in Remscheid.
Remscheid. Odysseus ist gestrandet. "Sterblich bin ich, der Form nach ein Mensch", singt er. Aber er ist nicht bei sich - ebenso wenig wie das "Strandgut" der Gesellschaft: das Müllmädchen, der Penner, die Dirne.
Im Remscheider Teo Otto Theater ist das Kunststück, Claudio Monteverdis Oper "Die Heimkehr des Odysseus" von 1640 in die Gegenwart zu transportieren, gelungen.
Im Guckkasten-Bühnenbild von Markus Meyer wechseln die Personen in der Inszenierung von Jacob Peters-Messer vorsichtig zwischen heutigen und gestrigen Gestalten. Plausibel zeichnet die Regie das Bild vom den Göttern ausgelieferten, aber auch mit ihnen im Einklang lebenden Menschen.
Athene, die Göttin der Weisheit (großartig flexibel im Gesang und mit einnehmender Bühnenpräsenz: Banu Böke) zeigt in Gestalt eines feschen Seemanns (Kostüme: Sven Bindseil) Odysseus den Weg zurück zur treuen Gattin Penelope - Joslyn Rechter singt sie, sehr edel in Gesang und Haltung - und zum Sohn Telemachos, den Christian Sturm agil und mit schönem Tenor gibt.
Und Renaissance-Hippie Miljan Milovic (mit tragfähigem Bariton) als Hirte Eumaios weiß ohnehin, dass in jedem Bettler ein Gott verborgen sein kann. Denn die Göttin hat Odysseus (trotz Erkältung überzeugend: Timothy Sharp) in einen alten Mann verwandelt. Selbst Penelope erkennt ihn zunächst nicht. Sie misstraut auch Eurykleia, der Amme des Odysseus. Miriam Scholz singt sie mit feiner Altstimme.
Monteverdi weist den seriösen Figuren lange Rezitative und kleine kunstvolle Arien zu. Götter und allegorische Figuren erhalten virtuose Koloraturen. Die penetranten Freier, die Penelope umschwirren (Nathan Northrup, Marco Agostini und, leider nicht immer ganz tonsicher, Thomas Schobert) üben sich in tändelnd-tänzerischen Formen und freien Rezitativen.
Der von den Freiern ausgehaltene Schmarotzer Iros - Peter König mit solidem Bass und erfrischendem Spielwitz - ist die erste Buffo-Figur im noch jungen Genre Oper im 17. Jahrhundert. Die musikalische Parodie als Vokalstil-Mix findet in der Regie ihre Entsprechung: Iros will mit dem Kopf im leeren Kühlschrank sterben. Die Göttin knipst die Kühlschrank-Beleuchtung aus.
Was das schlank besetzte Orchester unter der versierten Leitung von Christoph Spering leistet, ist beachtenswert. Trotz der Mischung von alten und neuen Instrumenten ist das Klangbild authentisch, leicht und transparent. Die beiden Chitarronen (Basslauten, gespielt von Michael Dücker und Gerlind Puchinger) fungieren mit den Cembali (Alexander Puliaev, Boris Brinkmann) und dem Barockcello (Ulrike Mix) sowohl als Basso Continuo-Riege wie auch als solistische Begleitungen der Singstimmen.
Die Streicher der Bergischen Sinfoniker wachsen über sich hinaus: Etwa in der anarchisch-bewegten "Sinfonia da guerra", die das Blutbad schildert, das Odysseus unter den Freiern anrichtet. Begeisterter Applaus im nicht ausverkauften Remscheider Theater.
Dauer: 2 Stunden 45 Minuten, eine Pause. Weitere Aufführungen: 30.10., 19.30 Uhr, Remscheid; 01.11., 19 Uhr, Theater Solingen; Wuppertaler Premiere am 15.01.2010, 19.30 Uhr.