Ballett: Zwischen Tanz und Kampf
Gemischte Reaktionen auf Martin Schläpfers Premiere in der Deutschen Oper am Rhein.
Düsseldorf. So viel Anfang war lange nicht an der Deutschen Oper am Rhein: Geradezu euphorische Stimmung herrschte im Publikum bei der Eröffnungspremiere von Martin Schläpfer.
Die Neugier auf den neuen Ballettchef war groß, zählt der Schweizer doch fraglos zu den interessantesten klassischen Choreografen der jüngeren Generation.
Mit seinem Anspruch, in Düsseldorf "Ballettkunst für das 21. Jahrhundert" zu schaffen, verkörpert er die Hoffnung auf Innovation von internationalem Format nach 13 Jahren konservativer Ästhetik unter Youri Vàmos.
Auf dem Programm standen Schläpfers hinreißender Strauß-Reigen "Marsch, Walzer, Polka", Hans van Manens wunderbare "Frank Bridge Variations" zu Benjamin Britten und die Uraufführung von Schläpfers "3. Sinfonie".
Dass der Schlussapplaus "nur" begeistert, aber ohne Jubel und Ovationen ausfiel, lag an der ehrgeizigen Idee des 49-jährigen Schweizers, in Düsseldorf mit einer Neuschöpfung zu starten. Sieben Wochen reichten aber nicht für ein neuerliches Meisterwerk.
Dennoch ist Schläpfers Mut zu bewundern, mit einer so schwierigen Musik wie Witold Lutoslawskis "3. Sinfonie" in eine neue Ära zu gehen und sich dem Publikum auch von seiner schwermütigen Seite zu zeigen. Denn anders als das beschwingte, von ironischem Witz und Bewegungsintelligenz blitzendem Strauß-Stück "Marsch, Walzer, Polka", kommt die "3. Sinfonie" kopflastig und kompliziert daher.
Einige Zuschauer trieb sie aus dem Saal, andere veranlasste sie zu Buhrufen. Den Choreografen inspirierten sie zur Utopie einer Gesellschaft zwischen Urmenschen und Zombies.
Gekleidet in Trikots mit Wollleibchen, die Augen schwarz umrandet, suggerieren sie eine Archaik, die an Strawinskys "Sacre du Printemps" denken lässt. Über der - überfrachteten - Bühne hängen drei Käfige mit Gefangenen und ein Stahlträger, im Hintergrund leuchten Mohnblumen. Schläpfer hat sich tief in die Musik hineingehört, um ihre Stimmungen aufzunehmen und sich dann von ihr zu emanzipieren.
Die Komposition wird ihm zu einem Tanzboden, auf dem sich das seltsame Völkchen mal mit gekrümmtem Rücken, mal im Stechschritt bewegt. Die Kreaturen begegnen sich zwischen Tanz und Kampf. Paare umkreisen sich misstrauisch.
Handwerklich ist auch diese Arbeit makellos, doch inhaltlich wirkt sie unfertig, vage, verstörend. Der junge Dirigent Christoph Altstaedt, der seinen ersten Ballettabend leitet, leistet Großes. Und was für ein Ensemble! Exzellente Tanzkünstler wie Marlùcia do Amaral, reifere Persönlichkeiten wie Jörg Weinöhl. Das Ballett der Rheinoper ist wieder da.
170 Min., zwei Pausen, Termine: 20., 24., 31.10.; Oper Düsseldorf, Karten: 0211/8925211