Kommentar Ballett am Rhein: Warum Düsseldorf Martin Schläpfer nicht halten konnte

Der Abgang des Choreografen war ein Abgang auf Raten. Zu wenig wurde dem Weggang entgegengesetzt — auch vonseiten der Stadt.

Martin Schläpfer.

Foto: Federico Gambarini

Also doch. Martin Schläpfer kehrt Düsseldorf-Duisburg endgültig den Rücken und verlässt sein Ballett am Rhein - die Kompanie, die er seit 2009 kontinuierlich aufgebaut und zu einem der führenden Ensembles in Europa gemacht hat. Er nimmt das Angebot aus Wien an, das Staatsballett, das mit mehr als hundert Mitgliedern eine der größten Kompanien der Welt ist, einem ästhetischen Update zu unterziehen.

Eine internationale Spitzenposition, die ihm hohes Ansehen sichert — was ihn vermutlich am wenigsten reizt. Eher, dass Wien ihm seine ganze Energie, seinen ganze Ehrgeiz und sein ganzes Engagement abverlangen wird. Als Ballettdirektor der österreichischen Hauptstadt ist er verantwortlich für das Wiener Staatsballett, die gemeinsame Kompanie von Staatsoper und Volksbühne, sowie die Wiener Ballettakademie. Hier wird er offensichtlich geschätzt — und gebraucht werden.

Foto: Gert Weigelt

Anders als er es in Düsseldorf empfindet. Wie er sich im Oktober 2016 gegenüber dieser Zeitung im Vorfeld seiner Vertragsverlängerung äußerte, vermisste er die Unterstützung der Stadt Düsseldorf und auch des Hauses, der Oper selbst. Schläpfer fand klare Worte: „Ich brauche deutlich mehr Geld. Es ist nicht genug, erfolgreich zu sein. Wir müssen auch irgendwo hin wollen.“ Besonders kritisierte er das Stadt-Marketing. „Es zieht mich nicht weg, aber das Ballett am Rhein darf nicht in seinem Status quo verharren. Die Stadt muss mehr tun. Das Marketing tut überhaupt nichts für uns. Die Stadt muss uns zu einer Marke machen.“

Eine nachhaltige Reaktion der Stadt mit Oberbürgermeister Thomas Geisel und Kulturdezernent Hans-Georg Lohe blieb aus. Außer Kosmetik (u.a. Kinowerbung) hatte die NRW-Landeshauptstadt nichts zu bieten, um den Top-Choreografen dauerhaft zu binden. Beschämend.

Schläpfer bei einer Probe zur aktuellen Produktion Schwanensee, vertieft in die Bewegung.

Die Konsequenz: Ein Rückzug Schläpfers auf Raten. Seine Vertragsverlängerung als Ballettdirektor wurde zu einer Farce. Die Rheinoper verkündete stolz, ihn als Choreographer in Residence bis offiziell 2023/24 verpflichtet zu haben. In Wahrheit war es ein Abschied aus der künstlerischen Leitung, die er seinem Stellvertreter Remus Sucheana damit endgültig übergab. Seinen Vertrag wird er nur zum Teil erfüllen, was angesichts der aus Schläpfers Sicht abweisenden Behandlung in Düsseldorf und der künstlerischen Herausforderung in Wien verständlich ist. Wien bietet ihm das, was Düsseldorf ihm versagt hat.

Ein schwarzer Tag für Düsseldorf und ein schwarzer Tag für das Tanzland NRW. Nachdem Bridget Breiner, gefeierte Ballettchefin in Gelsenkirchen, für 2019 am Badischen Staatstheater in Karlsruhe unterschrieben hat, verliert NRW einen weiteren Leuchtturm — und diesmal seinen größten.

Und was wird aus Düsseldorf? Schläpfers Ziehkind Remus Sucheana mag gemeinsam mit dem Schweizer ein harmonisches Führungsduo bilden. Um ein Ensemble von dieser Bedeutung in alleiniger Verantwortung zu leiten, fehlt ihm das Format. Insofern ist es richtig, dass Generalintendant Christoph Meyer ganz offen von einer Nachfolgeregelung spricht, die dem Vernehmen nach den Rumänen ausschließt.