Mit Pressluftbohrer: Theatertreffen eröffnet
Berlin (dpa) - Es war ein furioser Auftakt: Das Schauspiel Köln - amtierendes „Theater des Jahres“ - eröffnete am Freitagabend das 48. Berliner Theatertreffen mit einer spektakulären Jelinek-Inszenierung.
Mit Pressluftbohrer, einer Bühne unter Wasser und großem Männer-Chor zeigte die Kölner Intendantin und Regisseurin Karin Beier Elfriede Jelineks Katastrophen-Trilogie „Das Werk/Im Bus/Ein Sturz“.
Darin erzählt die Literaturnobelpreisträgerin unter anderem von Leid und Tod beim Bau des Wasserkraftwerks im österreichischen Kaprun und vom Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit zwei Toten. Jelinek stellt in ihrem Stück unbequeme Fragen nach den Verantwortlichen und nach dem Umgang des Menschen mit der Natur und ihren Ressourcen.
Beier gelingt es, die enormen Textmassen Jelineks so tänzerisch leicht und musikalisch zu arrangieren, dass das gewaltige Werk für den Zuschauer verdaulich und verständlich wird. Und so ernst und gewichtig die Themen sind, findet die Regisseurin immer wieder den wunderbar bösen Witz in der ironischen Übertreibung.
Das grandiose Schauspielerensemble - darunter die TV-Stars Caroline Peters („Mord mit Aussicht“) und Manfred Zapatka - gibt alles: Egal, ob in der am meisten beeindruckenden Köln-Geschichte das Wasser aus dem Erdreich auf die am Ende unter Wasser stehende Bühne sprudelt oder der verbohrten Umwelt mit dem Pressluftbohrer zu Leibe gerückt wird. Jelineks Sprechchöre sind bei Beier nicht martialisch. Dafür sorgt auch der vielköpfige schwule Männerchor Zauberflöten e.V.
Das Schauspiel Köln ist gleich mit zwei Aufführungen beim Theatertreffen dabei: Neben Beiers Jelinek-Abend zeigt das Ensemble Tschechows „Kirschgarten“ in der Regie von Karin Henkel. Schon im vergangenen Jahr sorgten die Kölner für Aufsehen beim Theatertreffen, als ihre Inszenierung „Die Schmutzigen, Hässlichen und Gemeinen“ das Publikum spaltete. Das diesjährige Theatertreffen zeigt bis zum 23. Mai die zehn „bemerkenswertesten“ Inszenierungen der Saison. Regisseure wie Stefan Pucher, Stefan Bachmann, Herbert Fritsch und Roger Vontobel, das Berliner Ballhaus Naunynstraße und die Off-Gruppe She She Pop wurden eingeladen.
Bereits die Theatertreffen-Einladung sei für jeden Regisseur ein Ritterschlag, so drückte es Kulturstaatsminister Bernd Neumann bei der Festivaleröffnung aus. Gleichzeitig machte er den Theaterleuten Mut: Auch in finanziell schwierigen Zeiten sollten die 150 staatlich geförderten deutschen Bühnen erhalten werden. „Wir brauchen sie alle“, sagte Neumann.
Obwohl schon die Teilnahme an dem Festival als Auszeichnung gilt, sollte am Sonntag ein Preis verliehen werden: Regisseur Dimiter Gotscheff (68) und sein Schauspielerteam Almut Zilcher, Samuel Finzi und Wolfram Koch sind die diesjährigen Gewinner des mit 20 000 Euro dotierten Theaterpreises Berlin. Mit der Auszeichnung für „herausragende Verdienste um das deutschsprachige Theater“ würdigt die Jury Gotscheffs Inszenierungen wie „Kampf des Negers und der Hunde“, „Iwanow“, „Die Perser“ und „Krankenzimmer Nr. 6“ als epochal. Das Künstler-Quartett sei sich treu geblieben, ohne stehen zu bleiben, urteilte die Juroren.