Nachruf: Peter Zadek ist tot - Der verehrte Buhmann

Peter Zadek, einer der wichtigsten Theaterregisseure Europas, ist nach langer Krankheit 83-jährig gestorben.

Düsseldorf. Den meisten deutschen Theaterleuten fehle "ein großes Gefühl für Showmanship". Für Peter Zadek war es ein Leichtes, diesen Mangel zu diagnostizieren.

Er konnte ab 1933 angelsächsische Kunst und Kultur erleben und dort wie in Paris auch die Liebe zum Drahtseilakt zwischen Boulevard und Tragödie auf der Bühne kennenlernen.

Deshalb war für ihn "analytisches Polittheater" oder "Konzepttheater" ein typisch deutsches "Unwesen, das niemand außerhalb interessiert". Davor hatten ihn gewiss auch seine Mentoren Kurt Hübner und Ivan Nagel bewahrt.

Es gab gegenüber dem Theaterkünstler Zadek nur zwei Haltungen: Entweder man verehrte ihn absolut, oder man lehnte ihn mit womöglich noch heftigerer Unbedingtheit ab, es gab Tumulte der Empörung oder kultartige Verehrung.

Denn er zerbrach alles, drehte und wendete jeden Satz, bis ihm schwindlig war und er einen neuen Sinn trug. Doch eines mussten widerwillig auch seine Gegner eingestehen: Was Zadek zuwege brachte, war immer von höchster Sensibilität, Intelligenz, Sinnhaftigkeit und Sinnlichkeit.

Peter Zadeks Leben war nach Worten seines Theaterkollegen Tom Stromberg das Theater. "Er hat eigentlich immer gesagt, wenn ich nicht mehr inszenieren kann, dann möchte ich lieber sterben", sagte Stromberg. "Zadek war jemand, der immer unabdingbare Qualität gefordert hat. Er wollte immer das Beste und Perfekte."

Und schließlich: Wo hätte man je zuvor eine so unverschämte Kombination von dreister Revue mit dem existenziellen Grauen gefunden wie hier? Sein Shakespeare, "König Lear", "Othello", "Richard III.", "Was ihr wollt" oder "Hamlet" waren nie nur blutig und brutal, sie kannten Wehmut und Weltschmerz, waren Satyrspiele und Sarkasmen. Ihn beschäftigte die Figur des Shylock so intensiv, "weil ich mich mit ihm komplett identifiziert habe - als Jude, als Außenseiter und natürlich besonders in Deutschland", bekannte er.

Nicht anders als sein großer Kollege George Tabori durfte Zadek sich über das Jüdische der Juden amüsieren und auch darüber, dass Deutsche dies als Antisemitismus fürchteten.

Für diese Inszenierungen in den 70er und 80er Jahren waren die Schauspieler Ulrich Wildgruber ("Othello"!), Gert Voss, Eva Mattes und Angela Winkler die Garanten. Später kamen Ulrich Tukur, Hannelore Hoger, Isabelle Huppert hinzu, zuletzt Julia Jentsch.

Groß geworden als "junge Wilde" waren er und Peter Stein, Peter Palitzsch und Rainer Werner Fassbinder das schrillste Regie-Team im jungen Nachkriegsdeutschland.

Gehörte ein greller Buh-Chor zum Zadek-Abend zwangsläufig dazu, war ihm selber das Theater heute "zu laut und zu grob", weiß Luc Bondy, Leiter der Wiener Festspiele. Zum geistigen Zadek-Ritual, zu seinem Selbstverständnis gehörte es, dass man den Zuschauern statt eines Abiturs das Nach- und Einfühlen abverlangen müsse.

"Er sagte und dachte immer überraschende Dinge aus großer Tiefe. Er fürchtete den Tod wie niemand, wie kann ich das nachfühlen", erklärte Bondy. Zadek habe als deutscher Jude an den Deutschen gezweifelt: "Aber die Sprache und Deutschland waren seine Kultur."

Von der mit Stromberg gegründeten Theaterakademie hatte sich Zadek in den letzten beiden Jahren zurückgezogen, weil er schon sehr schwach und krank gewesen war. Peter Zadek erhielt 2008 den österreichischen Theaterpreis Nestroy für sein Lebenswerk.