Neuenfels will Bayreuths Reform
Der Berliner Regisseur eröffnet mit „Lohengrin“ die Festspiele. Er möchte längere Spielzeiten und weniger Gage.
Bayreuth. Hans Neuenfels ist 69 Jahre alt und muss im Kulturbetrieb niemandem mehr etwas beweisen. Der Berliner Regisseur hat längst Theater- und Operngeschichte geschrieben, gilt weiter als einer der kreativsten Regisseure in Europa. Und doch funkeln seine Augen, wenn er nach einer "Lohengrin"-Probe in der Kantine des Bayreuther Festspielhauses kämpferisch von den notwendigen Erneuerungen auf dem Grünen Hügel in Bayreuth spricht.
Neuenfels eröffnet am 25. Juli mit seiner Neuinszenierung von Richard Wagners romantischer Oper "Lohengrin" die 99. Bayreuther Festspiele - "ein großes Abenteuer für mich".
"Wenn die neue Festspielleitung mit den Schwestern Eva und Katharina Wagner nicht gleichzeitig die Chance zum Übergang in eine neue Zukunft ist, dann ist die Ära Bayreuth zu Ende. Da müssen alle Beteiligten jetzt ihren produktiven Beitrag leisten, sonst ist es reine Stagnation, das fände ich absolut öde. Da würde ich auch nicht mehr mitmachen wollen." Er versuche mit seinem Team, "Leben in die Bude zu bringen, nicht mit Spektakel, sondern mit Inhalten, Neu-Bayreuth eben."
Die Wagner-Schwestern müssten den Auftrag Bayreuths als "exemplarische Musiktheaterwerkstatt" neu formulieren und auch erweitern. "Bayreuth darf nicht zum üblichen Bestandteil des Musik- und Festivalmarktes werden. Eingefahrene Wege müssen mit Kampf, Raffinesse und Cleverness aufgefrischt werden. Dazu gehören größere Freiheiten, auch für die Künstler, um sich auszuprobieren. Dazu gehören aber auch weniger Gage und kleinere Autos."
Der Festspielzeitraum - bisher vom 25. Juli bis 28. August - sollte ausgeweitet werden. "Das alles braucht natürlich Zeit, das kostet auch Geld. Da muss auch der Staat zu Opfern bereit sein", meint Neuenfels.
Der Regisseur hat erst spät, mit etwa 40 Jahren, zu Wagner gefunden und inszeniert nun erst die dritte Oper des Bayreuther Meisters. Die bisherige Abneigung habe auch mit der Abneigung der 68er Generation gegenüber dem "Weihrauch" zu tun, mit dem Wagners Opern in der Rezeptionsgeschichte oft umgeben wurden.
"Aber wenn man älter wird, sieht man auch, dass Wagner das Deutsche auf eine unglaublich fragile, sezierend genaue und zugleich brutale und rücksichtlose Weise analysiert hat. Das hat mich doch fasziniert nach Überwindung meines Widerwillens."
An "Lohengrin" interessiere ihn vor allem das Frageverbot ("Nie sollst du mich befragen"), "eine absolut irrsinnige These, denn das Frageverbot ist so radikal, so genial, so unsinnig, so allumfassend frech und kess. Daraus eine Oper zu machen, das ist fast schon nicht mehr deutsch", sagt Neuenfels. Natürlich gehe es auch um Liebe und Vertrauen, "denn eine anständige Frau will doch wissen, mit wem sie es zu tun gehabt hat, und darf doch fragen: Sag mal, wo kommst du denn eigentlich her?"