Roy Lichtenstein, der Parodist
Das Kölner Museum Ludwig zeigt den Pop-Art-Maler als Virtuosen im Spiel mit den Meisterwerken der Kollegen.
Köln. Er hat seine Kunst auf den Punkt gebracht. Die Comic-Gemälde von Roy Lichtenstein zählen zu den Meisterwerken der Pop-Art. Im Museum Ludwig macht eine sensationelle Schau mit rund 100 großformatigen Gemälden aus der gesamten Schaffenszeit Station. Sie kommt aus Madrid und ist mit einigen exemplarischen Werken aus Köln angereichert.
Den Besucher begrüßen zwei kapitale Bilder mit Pinselstrichen in Übergröße. Sie wurden Mitte der 60er Jahre als lustvoller Abgesang auf den New Yorker Expressionismus verstanden und präsentieren die bis dahin verherrlichte gestische Malerei nicht als individuelle Handschrift, sondern als Klischee.
Lichtenstein zerlegt noch vor dem deutschen Maler Sigmar Polke Flächen und Konturen in Rasterpunkte, zitiert Comics, persifliert die Konsumwelt und banalisiert die Kunst der jüngeren Vergangenheit. Die Gemälde, Zeichnungen und Entwürfe der Ausstellung sind eine grandiose Parodie auf Meisterwerke von Mondrian, Matisse und Monet, Dalí, Cézanne und Picasso - ganz gleich, ob konstruktiv, kubistisch, futuristisch oder expressiv.
Der eifrige Museumsgänger Lichtenstein war respektlos und neugierig, radikal und unterhaltsam zugleich - "souveräne Kaltblütigkeit" spricht ihm der Kölner Museumschef Kasper König zu. Lichtenstein zerlegt und seziert etwa das Vorbild eines Frauenkopfes von Picasso, bis es nur noch aus Silhouetten und wenigen Binnenzeichnungen besteht. Eine kühle, untadelig schöne, von allen Details bereinigte Lady kommt zum Vorschein.
Der Mann aus Manhattan benutzte die Werke von Kollegen als Steinbruch. Die Ausstellung belegt, mit welcher Systematik er vorging. Sein "Mädchen mit Tränen" von 1977 - stilisiertes Blondhaar, ein großes Auge, eine kolossale Träne - spielen mit Dalís Bildern weinender Figuren.
Von Dalís Frau bleibt das knallige Gelb eines Haarschopfs, der nur noch das Kürzel einer Perücke ist. Die Träne wirkt zur selbstständigen Form, die das Auge stützt. Mit den Rasterpunkten, den Schrägstrichen und dem weißem Untergrund präsentiert sich Lichtenstein als Virtuose im Reduzieren von Inhalten und Formen.
Die 80er Jahre gelten in der bildenden Kunst wie in der Architektur als Postmoderne, das heißt, man verquickte die Stile, setzte antike Säulen vor moderne Fassaden und übte sich im Zitieren schon vorhandener Kunst.
Erst jetzt wird deutlich, dass Roy Lichtenstein mit seinen eigenwilligen Verwandlungen der Radikalste dieser Stilrichtung war. Er typisierte die Handschriften und die Bildsprachen, ganz gleich, ob sie von Indianern, Europäern oder Amerikanern stammten. Er tat es mit einem Hang zur Karikatur, aber immer frisch und frech. Die vielen Leerstellen waren dabei ebenso wichtig wie die letzten Reste der Gegenständlichkeit.
Dorothy Lichtenstein, die Witwe des Künstlers und Vorsitzende der Lichtenstein Foundation, sagte bei ihrem Rundgang durch die Schau: "Alle denken immer nur an Cartoons, wenn sie Lichtenstein hören. Aber er hat sehr viel mehr gemacht. Er hat sich damit befasst, wie die Menschen die Dinge sehen und wie sie die Kunst sehen."
Dass Museum Ludwig beherbergt ohnehin die größte Sammlung amerikanischer Pop-Art außerhalb der USA. Nun konnte Kasper König dank der Ludwig-Stiftung auch Roy Lichtensteins Spätwerk "Tall Mountains" erwerben. Das Haus besitzt jetzt rund 20 Lichtensteins, darunter die berühmte Blondine aus dem Bild "M-Maybe" von 1965. Kurator Stephan Diederich: "Gehört zu den Publikumslieblingen - die sogenannte Kölsche Mona Lisa."