Passionsspiele: Biblisches Oberammergau
Seit dem Wochenende ist das bayrische Dorf wieder Schauplatz der Leiden Christi.
Oberammergau. Er hat Neues gewagt und gewonnen. Mit einem komplett überarbeiteten Text, einer erschütternden Kreuzigung in finsterer Nacht und talentierten jungen Schauspielern verhilft Regisseur Christian Stückl den weltberühmten Passionsspielen von Oberammergau einmal mehr zum Erfolg.
In seiner dritten Inszenierung deutet der 48-Jährige die Figur des Christus als einen Menschen, der unbeirrt seinen Weg geht und den sein Einstehen für den Glauben ans Kreuz bringt. Und er zeigt Jesus jüdischer als in allen Spielen zuvor. Die Premiere wurde am Samstag trotz kühlen Wetters von 5000 Gästen mit großer Zustimmung aufgenommen.
Das wirklich Neue an der Passion 2010: Stückl geht weiter auf die Juden zu. Jesus trägt die Thora-Rolle in den Tempel, beim Abendmahl steht ein siebenarmiger Leuchter - das jüdische Symbol schlechthin - auf dem Tisch. Am Kreuz ruft er zu seinem Vater in der Muttersprache: "Eloi, lama Sabachtani (mein Gott, warum hast du mich verlassen)." Bei früheren Spielen hatten jüdische Organisationen den Machern der Passion stets antisemitische Tendenzen vorgeworfen. Die kritischen Stimmen dürften nun endgültig verstummt sein.
Beeindruckend ist, bis zu dreihundert Menschen auf der Bühne zu sehen, darunter sogar Säuglinge auf dem Arm ihrer Mutter. Bei der Vertreibung der Händler aus dem Tempel sind Schafe, Ziegen und Tauben auf der Bühne. So manche Stille wird vom Blöken der Schafe durchbrochen, Babys schreien - alles Effekte, die der Regisseur bewusst einsetzt.
Auf der kahlen riesigen Bühne in den Farben Braun und Blau lenkt nichts ab von der Konzentration auf den Text von Joseph Alois Daisenberger (1799-1883), den Stückl und Dramaturg Otto Huber jedoch radikal verändert haben. Auch das Volk ist in Blau gekleidet, die Jünger und Jesus tragen schlichte Leinengewänder.
Die Dialoge sind sehr bibelkonform und lassen kaum etwas weg. Man muss Freude an religiösen Disputen haben, um die detaillierten Auseinandersetzungen genießen zu können. In zunehmend atheistischen Zeiten eine Herausforderung. Um den Appell Jesu nach einer Umkehr der Menschen stärker zu betonen, hat Stückl Teile der Bergpredigt in das Spiel integriert. Immer wieder fordert Jesus: "Denkt um!"
Der 30-jährige Frederik Mayet spielt Christus so, wie Stückl es will: nicht leidend, sondern stark. Auch die restliche Besetzung überzeugt. Zum Erfolg tragen vor allem auch die Solisten, Chor und Orchester bei, die die Szenen in jeder Phase klangvoll begleiten. So ist es ein szenisch bebildertes Oratorium, dem die Zuschauer beiwohnen.