Tanzkunst Pionier des modernen Tanzes: Alvin Ailey in Deutschland

Mannheim (dpa) - Aus der Reihe zu tanzen, ist beim US-Ensemble Alvin Ailey nicht vorgesehen. Die Choreografien der erfolgreichen Künstlergruppe sind exakt getaktet. Auch beim Auftakt seiner vierwöchigen Tournee durch Deutschland bietet die Tanzkompanie in Mannheim eine fulminante Gala.

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Mehr als zwei Stunden wirbeln die Künstler in Ekstase und absoluter Körperbeherrschung über die Bühne des Nationaltheaters der badischen Stadt. Doch was an diesem Premierenabend so spielerisch leicht aussieht, ist mit wochenlangem Drill in der New Yorker Talentschmiede der Gruppe antrainiert worden. Nichts ist Zufall beim Alvin Ailey American Dance Theater, der Raum für Improvisationen ist klein.

Für spektakuläre Körperkunst bleibt dennoch genug Bewegungsfreiheit. Mal barfuß, mal in Schuhen wirbeln die 34 Tänzerinnen und Tänzer zu treibenden Musikrhythmen und einer wirkungsvollen Lichtershow über die kulissenlose Bühne. Vieles ist neu, aber es gibt auch Zitate an andere Werke: Elemente des legendären Musicals „West Side Story“ oder des Dokumentarfilms „Buena Vista Social Club“ wirken wie locker eingestreut. Und Kenner des klassischen Balletts dürften sich an den bekannten Sprüngen und Pirouetten erfreuen.

„Wir wollen die Zuschauer in Deutschland von den Sitzen reißen“, sagt Direktor Robert Battle. Bis September ist die Kompanie auch in Köln, Hamburg, München und Frankfurt zu sehen. In Mannheim gastiert das 1958 in New York gegründete Ensemble noch bis Sonntag (6. August).

Vor fast 60 Jahren gründete Alvin Ailey die Kompanie als Gruppe schwarzer Moderntänzer. Der US-Choreograf wollte den für einen Afroamerikaner schwer zu verwirklichenden Traum von einer Karriere als Tänzer erfüllen. Es entstand eine moderne Tanzsprache in Einheit mit neuer Musik und Bühnenbildern. In den USA der turbulenten Sechziger und Siebziger erfassten die politischen und sozialen Veränderungen auch die Kunstwelt. Ailey brach mit bestimmten strengen Regeln und wurde zu einem Wegbereiter des modernen Tanzes.

„Dance is for everybody“ lautete sein Credo und Arbeitsauftrag. Ailey starb 1989. Heute hat sich das Ensemble längst auch anderen Bühnenkünstlern geöffnet, auch Europäer, Asiaten und Lateinamerikaner sind dabei. „Es hat sich viel verändert“, sagt Direktor Battle. „Barack Obama im Weißen Haus - viele in den USA haben nicht geglaubt, dass sie das je erleben.“ Natürlich gebe es immer wieder Rückschläge. „Aber ich könnte nicht sagen, dass es heute nicht besser sei als früher“, betont er.

Das macht sich auch im Programm bemerkbar. Die Deutschland-Premiere des Stücks „Open Door“ eröffnet den Auftritt in Mannheim. Darin geht es unter anderem um die pulsierende Musik Kubas. Es folgen „Piazzolla Caldera“ - eine durchaus stimmige Hommage an die argentinische Musiklegende Astor Piazzolla (1921-1992) - und „Takademe“, ein augenzwinkernder Mix aus Modern Jazz und asiatischer Kultur.

Im Zentrum steht traditionell der Klassiker „Revelations“ mit afroamerikanischen Elementen. In dem Stück von 1960 tauchte Ailey mit durchaus plakativen Mitteln in den Süden Amerikas ein und macht das „schwarze“ Erbe lebendig. Die Effekte stehen im deutlichen Kontrast zum Anfang des Abends, aber auch nach fast sechs Jahrzehnten will die Truppe „Revelations“ nicht aus dem Repertoire nehmen. „Das ist unsere Mona Lisa“, sagt Direktor Battle. „Es geht ja auch niemand in den Louvre und sagt: Hängen Sie doch endlich dieses alte Bild ab.“