Am Küchentisch mit... Moritz Führmann: „Das Theater wird überleben“
Der Küchentisch ist ein Symbol für Kommunikation und Genuss. Die WZ nahm Platz bei Künstlern, die etwas zu erzählen haben. Heute im Gespräch: Der Schauspieler Moritz Führmann.
Düsseldorf. Acht Jahre ist Moritz Führmann am Düsseldorfer Schauspielhaus. Für Schauspieler eine halbe Ewigkeit. Er war schon da, als das Haus in großen Schwierigkeiten steckte. Und blickt deshalb umso glücklicher auf die erste Spielzeit unter Wilfried Schulz zurück. Beim gemeinsamen Frühstück in Oberkassel erinnert sich der 39 Jahre alte Schauspieler an Gespräche zurück, die ihn besonders geprägt haben. Und verrät, warum er sich in der Rheinmetropole so wohl fühlt.
Herr Führmann, die besten Gespräche ergeben sich am Küchentisch. Stimmen Sie dem zu?
Moritz Führmann: Der Küchentisch ist bei uns definitiv das Zentrum der Familie. Hier kommen wir im besten Fall morgens und abends zusammen. Unsere Ehe ist ja mehr ein Logistikzentrum, da ist es uns beiden wichtig, wenn wir uns mit den Kindern am Küchentisch austauschen können.
Gelingt das denn jeden Tag?
Führmann: Momentan drehen wir beide, da ist es natürlich schwierig. Die Kinder machen gerade bei meinen Eltern in Stuttgart Urlaub. Wenn ich am Theater bin, ist das einfacher. Dann kann ich viele Kinderaufgaben miterledigen. Vom Kindergarten fahre ich direkt zur Probe weiter.
Haben Sie außerhalb der eigenen vier Wände einen Lieblingsort für ein gutes Gespräch?
Führmann: Im Wyno in Pempelfort treffe ich gerne Freunde, um zu reden. Im Barill in Unterbilk kommen meine Frau und ich zusammen, wenn wichtige Entscheidungen anstehen. Und ich mag das Rheinufer. Da hat man die nötige Ruhe, auch zum Textlernen. Ich habe viele Freunde, die hier leben und in anderen Bereichen künstlerisch tätig sind, zum Beispiel Stephan Kaluza. Dafür schätze ich Düsseldorf. Hier gibt es auf engstem Raum so viel unterschiedliche Kunst. Und man kommt schnell ins Gespräch.
Jeder kennt diese Gespräche, die plötzlich alles verändern oder lange im Gedächtnis bleiben. Fällt Ihnen spontan so ein Gespräch ein?
Führmann: Meine Frau und ich waren bei Dreharbeiten in Hamburg. Sie nahm mich zur Seite und erklärte, dass aus unserer Hochzeit nichts wird. Ich bin dann langsam in mir zusammengefallen. Erst nach zehn Sekunden dämmerte mir etwas und ich fragte: Wir sind schwanger, stimmt’s? Das war dann tatsächlich der Grund, warum aus dem angedachten Hochzeitstermin nichts wurde.
Können Sie sich noch an das Gespräch mit Ihren Eltern erinnern, als Sie ihnen beibringen mussten, dass Sie das Jurastudium nach drei Semestern hinschmeißen?
Führmann: Ja, sehr genau. Ich saß unglücklich im Zimmer meines Mitbewohners und erklärte meiner Mutter am Telefon die Situation. Sie hörte geduldig zu und sagte dann diese relativ einfachen Worte: ,Ja dann hör doch auf’. Das war für mich vorher undenkbar. Ich bin auch jemand, der jedes Buch zu Ende liest, so schlecht es auch sein mag. Mein Vater bat mich, nicht als Verlierer die Arena zu verlassen. Also dass ich abbreche, weil ich etwas nicht will. Und nicht, weil ich es nicht schaffe. Dann habe ich noch vier Punkte in Römischem Recht geschafft. Das war ein gutes Gefühl. Ein bisschen so, wie ein gelesenes Buch ins Regal zu stellen.
War damals schon klar, dass Sie es als Schauspieler versuchen wollen?
Führmann: Nein, nach dem Jurastudium habe ich erstmal probiert, Film zu studieren. Dann saß ich in der Mensa mit einem Freund zusammen, wir redeten über Frauen und die Zukunft. Ich hatte immer nebenbei ein bisschen Theater gemacht, aber auf die Idee, zum Vorsprechen zu gehen, brachte er mich. Mir fehlte vorher der Glaube daran, dass ich wirklich das Zeug dazu habe. Das war also auch ein wegweisendes Gespräch.
Sie stammen nicht aus einem Künstlerhaushalt. Wie haben Ihre Eltern dann auf den Wechsel ins Schauspielfach reagiert?
Führmann: Ihre Bedingung war, dass ich es schaffe, an einer staatlichen Schule aufgenommen zu werden. Eine private Ausbildung hätten sie nicht bezahlt. Durch meinen Beruf haben sie ein neues Hobby entdeckt und kommen zu jeder Premiere. Das ist schon toll, wenn man vier liebende Augen im Zuschauerraum weiß. Das gibt mir viel Rückenwind, auch wenn Freunde in die Vorstellung kommen.
Apropos Rückenwind: Sie sind seit acht Jahren am Schauspielhaus. Nach vielen Tiefen gab es jetzt die gefeierte erste Spielzeit unter Schulz. Wie fällt ihr persönliches Fazit aus, wenn Sie auf die vergangenen zwölf Monate zurückblicken?
Führmann: Ich lernte Wilfried Schulz in einer schwierigen Zeit kennen. Wenn da nur 70 Leute im großen Haus sitzen, das geht dir schon nahe. Aber mir war immer klar, dass ich durchhalten und mithelfen will, damit es hier wieder bergauf geht. Und diese Spielzeit jetzt war schon der Wahnsinn. Die Stimmung ist gut, auch wenn wir im Central sind. Das hat auch seine Vorteile.
Inwiefern?
Führmann: Die Zuschauer sind viel näher dran als im großen Haus. Man trifft die Leute nach der Vorstellung, Besucher kommen auf einen zu. Aber das ist auch typisch Düsseldorf.
Was schätzen Sie an Ihrer Wahlheimat besonders?
Führmann: Eben diese Offenheit. Ich habe mich total auf die Stadt eingelassen und bekomme sehr viel zurück. Die Leute sind neugierig, offen, und wissen gut Bescheid. Hier ist viel Kunstverständnis. Da kann man nicht mit Schrott um die Ecke kommen und glauben, die Leute werden das schon gut finden. Wenn wir als Theater gegen Ballett, Oper oder die Düsys anstinken wollen, müssen wir uns ins Zeug legen. Meine Rollen haben es mir aber auch erleichtert, mich hier schnell heimisch zu fühlen. Schneider Wibbel, genau, oder Mephisto, mit dieser Gründgens-Verklärung. Was die Leute mir da über Gründgens erzählt haben, hat mich sehr beeindruckt.
Das Schauspielhaus versteht sich ja auch als ein Ort, an dem Menschen ins Gespräch kommen. Auch solche mit konträren Meinungen. Im Internet klappt dieser Austausch immer weniger gut. Wie erleben Sie das?
Führmann: Man merkt, dass die Leute wieder stärker das Bedürfnis haben, miteinander zu reden. Was im Internet passiert, kriege ich nur am Rande mit. Meine Frau hat mir jetzt ein Klapphandy geschenkt, ohne Internet. Ich habe die Hoffnung, dass es einen Umschwung geben wird. Denn ein Livegespräch ist nicht ersetzbar. Deshalb bin ich auch überzeugt, dass das Theater überleben und dableiben wird. Wegen dem direkten Liveerlebnis.