Düsseldorfer Kultur Gute Herzen in der Schockstarre
Uraufführung des Stücks „Willkommen“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz im Central des Düsseldorfer Schauspielhauses.
Düsseldorf. Lockere Wohlfühlatmosphäre herrscht in einer Düsseldorfer Wohngemeinschaft. Auf dem langen braunen Holztisch stehen Rotweingläser und Bierpullen, nebenan lädt eine Tischtennisplatte zum gelegentlichen Match ein. Eine sehr breite Küchendurchreiche vollendet das Klischee der mustergültigen WG. Und die Bewohner des komfortablen Lofts sind ein bunt zusammen gewürfelter Haufen zwischen Bank-Azubi, Hochschul-Dozent und Künstlerin auf Selbstfindungskurs. Niemand gerät hier schnell aus der Fassung, so scheint es.
Nun kommt aber der feingeistige Dozent Benny (Moritz Führmann) auf die noble Idee, sein Zimmer einer syrischen Flüchtlingsfamilie zu überlassen. Er selber sei nämlich für ein Jahr beruflich in den USA. Gerade noch hatte die versammelte Mannschaft moralisch entrüstet Bennys Ausführungen über die verfahrene Situation von Flüchtlingen in Deutschland gelauscht mit Kommentaren wie: „Mir geht das so unglaublich an die Nieren.“
Doch jetzt herrscht erst einmal Schockstarre, gefolgt von einem etwas wirren Lächeln. Die gutherzigen WGler müssen nachdenken. Die blonde Doro (Cathleen Baumann) hat sogleich feministische Gegenargumente parat, versichert aber, erst unlängst einen „großen Betrag“ gespendet zu haben und nickt ihre Entscheidung noch einmal wohlwollend für sich ab. Die junge, eingeschüchterte Studentin Anna (Yohanna Schwertfeger) fragt leise: „Ist das Thema jetzt vom Tisch?“
Nun springt die intellektuelle Künstlerin Sophie (Sonja Beißwenger), Tochter des reichen und abwesenden Wohnungseigentümers, für die Asyl-Idee in die Bresche, während der adrette, etwas unsichere Bank-Lehrling Jonas (Sebastian Tessenow) noch weitere Bedenken anmeldet. Ab jetzt werden verbal Fässer aufgemacht. Jeder hat noch einmal ganz grundsätzlich was zum Anderen zu sagen. Worte wie „Gutmensch“ fallen, und es entspinnt sich eine Art Gesellschaftsdebatte über Willkommenskultur im Wohngemeinschafts-Format.
Das Stück „Willkommen“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz, das nun auf der Kleinen Bühne des Central uraufgeführt wurde, spiegelt das ernste Thema auf komödiantische Weise. Die Autoren verzichten auf Schwarzweißmalerei. Da stehen nicht auf der einen Seite die Toleranten, auf der anderen die Spießer. Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Und auch der gute Benny bekommt sein Fett weg. Er sei ja ohnehin im Ausland und müsse die Sache gar nicht selbst ausbaden, sagt Doro. „Du willst gut sein für lau!“ Und dann wendet sich das Blatt auch noch, als die junge Studentin Anna das frei werdende Zimmer für ihren Freund beansprucht, für Achmed (Serkan Kaya) aus Gelsenkirchen, Sohn türkischer Gastarbeiter. Achmed spricht astreines Hochdeutsch und wettert so heftig gegen die Idee, das Zimmer Flüchtlingen zu geben, dass sich Sophie zu dem Spruch hinreißen lässt: „Der könnte ja bei der AfD mit marschieren.“
Witz gewinnt das Stück nicht nur durch die pointierten Dialoge, sondern auch aufgrund der glänzenden Regie. Film- und Theater-Regisseur Sönke Wortmann, der mit „Frau Müller muss weg“ (2015) schon einmal ein Stück von Lutz Hübner für die Bühne inszeniert und später auf die Leinwand gebracht hat, setzt feine Akzente. Nichts wird überdreht, sondern folgt einem sehr natürlichen Fluss, in dem ständig Komik hervorsprudelt. Alle Schauspieler verkörpern die jeweilige Rolle plastisch und realistisch. Als Komödienfiguren erscheinen sie zwar in einem leichten Zerrspiegel, der dennoch messerscharfe Bilder liefert. Viel Beifall bei der Premiere im Central des Schauspielhauses.