Premiere: Die Macht siegt über die Gefühle
Spielzeiteröffnung in Krefeld mit Verdis Oper „Don Carlo“.
Krefeld. Nach einjähriger Umbaupause konnten die Krefelder jetzt wieder ihr Stadttheater in Besitz nehmen. Viel wurde in nicht auf den ersten Blick Sichtbares investiert, zum Beispiel in den Brandschutz.
Dafür beginnt man künstlerisch mit einem starken Akzent. Verdis große Oper "Don Carlo" stand zur Spielzeiteröffnung auf dem Programm. Gespielt wird die Mailänder Fassung in Italienisch und mit vier anstatt fünf Akten.
Der imposante Charakter des personalreichen Werks mit großem Chor setzt sich auch in der kürzeren Version durch, in Krefeld ein wenig gegen die Regie.
Francois De Carpentries hat den Stoff gut in den Griff bekommen, nur begeht er öfter den Fehler, überdeutlich zu sein. Symptomatisch erscheint, dass er aus dem Pagen Tebaldo (Isabelle Razawi) einen Narren gemacht hat, der mit seinen Possen die Handlung sichtbar kommentiert. Das ist überflüssig.
Groß sind die Emotionen, tödlich sind die Machtspiele, die Verdi in seiner Adaption von Schillers Schauspiel in der Musik schon ungeheuer vielschichtig abbildet. Da braucht man keine inszenatorischen Ausrufezeichen.
So transportiert Bass Hayk Dèinyan schon ausdrucksstark durch seinen Gesang, dass die Einsamkeit des spanischen Herrschers Philipp II. so groß ist wie seine Macht. Da muss man nicht auch noch sehen, dass Gattin Elisabeth (Dara Hobbs) ihn sexuell zurückweist.
Elisabeth war eigentlich Don Carlo (Kairschan Scholdybajew), Philipps Sohn, versprochen. In Krefeld wirkt dieses tragische Paar manchmal ein wenig tragikomisch.
Das liegt - bei allem Respekt - auch daran, dass es dem kleinen Scholdybajew an Statur mangelt, mag der Tenor stimmlich seiner Rolle gewachsen sein. Eine ganz andere Figur macht Bariton Michael Kupfer als Marquis von Posa. Beeindruckend sein Duett mit Philipp, in dem er den Tyrannen beschwört: "Gebt die Gedanken frei!"
In den beiden großen Sopranrollen wetteifern Hobbs als Elisabeth und Janet Bartolova als von Carlos enttäuschte Prinzessin Eboli. Dabei besticht Hobbs’ Stimme mit Kraft, aber Bartolova kitzelt aus ihrer großen Arie mehr Farben hervor.
Die Macht gewinnt, die Gefühle bleiben auf der Strecke. Ein Plafond in Kardinalsrot, in dem ein großes Kreuz zu erkennen ist, überdeckt die Bühne (Siegfried E. Mayer) - dies auch einer der "Zaunpfähle". Denn mit Hilfe des gnadenlosen Großinquisitors (Vidar Gunnarsson), der auch noch mit krallenbewehrten Krücken daherkommt (Kostüme: Karin Van Hercke), bricht Philipp am Ende jeden Widerstand.
Generalmusikdirektor Graham Jackson führt die Niederrheinischen Sinfoniker straff wieder zu einer überdurchschnittlichen Leistung. Viel Applaus.
190 Min., eine Pause, Aufführungen: 29. 9., 21. + 25. 10. Karten-Telefon: 02151/805125.