Premiere: Fasziniert vom bösen Autor
Regisseur Falk Richter eröffnet die Theater-Spielzeit in Düsseldorf mit „Karte und Gebiet“.
Düsseldorf. Viel gehasst, dennoch höchst dekoriert und viel gelesen: So geht es Michel Houellebecq in seiner französischen Heimat. Für seinen jüngsten Roman „Karte und Gebiet“ („Carte et territoire“), in dem der Skandalschriftsteller seine eigene Ermordung beschreibt, erhielt er 2010 den Prix Goncourt, Frankreichs renommiertesten Literaturpreis.
Der 55-Jährige, der heute auf Lanzarote und in Irland lebt, macht einen neurotischen Maler zur Hauptfigur, der sich auf dem Höhepunkt seines Erfolgs auf einem Grundstück einschließt, um über 20 Jahre sein letztes Kunstwerk zu schaffen.
Houellebecqs erbarmungslose Darstellung reizt Falk Richter, den Roman jetzt auf die Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses zu bringen. Richter, häufig gespielter Dramatiker und Haus-Regisseur der Berliner Schaubühne, schrieb eine Theaterfassung, die am Sonntag Premiere feiert und damit die erste Saison des neuen Intendanten Staffan Valdemar Holm eröffnet.
Der 42-Jährige den Franzosen als glänzenden Stilisten und scharfzüngigen Analytiker von Ängsten, Sehnsüchten und Frustrationen, auch wenn sich dieser zuletzt zu sexistischen und rassistischen Äußerungen verstieg. Er sei eben ein Autor, der nicht den Konsens suche. „Persönlich möchte ich ihn nicht kennenlernen“ so Richter, dessen eigene Stücke auch in Frankreich gespielt werden.
In „Karte und Gebiet“ entlarvt Houellebecq Frankreich als Land, in dem von der Grande Nation nur die gute Küche und die schönen Schlösser übrig geblieben sind. Und er nimmt den Neoliberalismus ins Visier: Die immer flüchtigeren Beziehungen zwischen den Menschen, den Markt der schönen Körper und die absurde Spekulations-Maschinerie des Kunstmarkts.
Starkünstler wie Damian Hirst und Jeff Coons würden so zu Handelsunternehmern der Kunst. Gerade dieses Thema passe gut zur Kunststadt Düsseldorf, sagt der Wahl-Berliner Richter, der derzeit eine Wohnung im feinen Düsseldorfer Viertel Oberkassel bewohnt. Dort schreibt er neben seiner Regie-Arbeit ein neues Stück. Titel: „Rausch“, die Uraufführung ist für Frühjahr 2012 geplant.
Um Kritik und Analyse der Finanzmarkt-Krisen und ihre Auswirkung auf zwischenmenschliche Beziehungen ging es auch in Richters früheren Dramen, wie in „Trust“, das demnächst als Schaubühnen-Gastspiel in Düsseldorf zu sehen sein wird. In Berlin war „Trust“ ein Kassenschlager, auch wegen seiner beißenden Ironie.
Ob Richter das auch bei der Inszenierung von Houellebecqs bösem Opus „Karte und Gebiet“ gelingt, bleibt abzuwarten. Er hat den Roman verdichtet, will die vom Autor beschriebene Atmosphäre auf die Bretter bringen, wie üblich bei Richter mit viel Live-Musik. Die Rolle des Star-Malers spielt der 31-jährige Christoph Luser, der vor elf Jahren unter Anna Badora in Düsseldorf zum Nachwuchsschauspieler des Jahres gekürt wurde.
Nächste Termine: 18., 23. und 27. Okt.; 5., 6., 7. Nov.
Karten: 0211/36 99 11