Rockband Queen als Revue
Im Essener Aalto-Theater lässt der neue Ballett-Chef Ben van Cauwenbergh die Puppen tanzen. Und das Publikum johlt.
Essen. George Clooney lächelt von der Leinwand zum Fenster herein. Noch aber kann sich die rotmähnige Frau, die da neben ihrem in eine Zeitung vertieften Partner sitzt, dem Traummann nicht widmen. Freddie Mercury singt "I want to break free", und ein hexenhaftes Duett beginnt. Am Ende hüpft die Tänzerin durch die Rückwand in die Freiheit.
So nett wie diese sind längst nicht alle Szenen, die Ben van Cauwenbergh in seiner Tanzhommage an die Rockband Queen aneinanderreiht. Die Choreographie wurde 2004 in Wiesbaden uraufgeführt. Schon der Chanson-Abend des Belgiers, "La Vie En Rose", war mehr Unterhaltungsshow als Ballett.
Während im Hintergrund Queen-Konzertmitschnitte flimmern, bebildert van Cauwenbergh die Songs mit dem Naheliegenden. Zu "Crazy Little Thing Called Love" rollt eine Vespa herein, und das Paar swingt mit dem Ensemble im Rockabilly-Rhythmus. That’s Entertainment.
Zu "Bohemian Rhapsody" tanzen ein Mann und eine Frau - wohl seine Mutter - andächtig und ausdruckslos. Zu dem Video "Freddie Live at Wembley" posiert ein etwas hilfloser Wataru Shimizu, gekleidet wie das Original, als Parodie der britischen Rocklegende. Eine Handlung gibt es nicht, allenfalls einige biografische Andeutungen, die Mercurys Homosexualität und seinen Aids-Tod thematisieren.
So fügt sich der Tanzabend zu einer coolen Nummernrevue. Leidenschaftslos spult van Cauwenbergh eine Szene nach der anderen ab. Wenn das Premierenpublikum nach dem Finale schier aus dem Häuschen geriet, dann vermutlich, weil es ein exzellentes Tanzensemble gesehen hat, das einer mittelmäßigen Choreografie ein wenig Format verleiht.
Klassische Virtuosität meets Showbizz. Die neoklassische Compagnie, die van Cauwenberghs Vorgänger Martin Puttke in dreizehn Jahren aufbaute, ist das Pfund, mit dem der Neue wuchern kann. Auch wenn dieser mit Bühnentechnik und Projektionen (Dmitrij Simkin) eindrucksvoll spielt, er kann nicht darüber hinwegtäuschen: Sein Metier ist die Unterhaltung.
Aber gut möglich, dass in der derzeitigen, an allen Theatern angespannten Situation und vor dem Hintergrund möglicher drohender Theaterschließungen die Quote als Kassenfüller ein stärkeres Argument für den Erhalt einer Sparte darstellt als die Qualität. Jedenfalls trugen sich nicht Wenige in die bereit liegenden Unterschriftenlisten ein.
Nur für die Quote braucht es aber kein solches Spitzenensemble. Da genügt es, das Fernsehballett vergangener Tage auferstehen zu lassen. Es lebe die alte Samstagabend-Unterhaltungsshow. Hat das Ballett unter dem Ex-Chef Martin Puttke eine Spitzenposition erreicht, droht mit ausschließlich solchen Produktionen langfristig das Mittelmaß. Wertung: Choreographie: nnnnn