Liebessehnsucht, Todesrausch
Wagners „Tristan und Isolde“ in Wuppertal mit Ovationen gefeiert.
Wuppertal. Auf neblige Ferne und Unschärfe setzt die Regie: Gerd Leo Kuck lässt "Tristan und Isolde" im neu eröffneten Wuppertaler Opernhaus hinter durchscheinendem Vorhang spielen. Figuren und Handlung will er nicht allzu sehr an den Zuschauer heranlassen. Und das ist gut so, denn das Wagner-Werk ist heute in erster Linie von der Musik her zu begreifen.
Zu fern sind Liebeswahn und Todessehnsucht, zu schwülstig die Sprache (dank deutscher Übertitelung genau zu verfolgen), schwer nachvollziehbar der Kommunikationsverlust der Figuren und die Ambivalenz jeder Handlung.
So ist es nur logisch, die Personenführung statisch zu gestalten. Bis hin zur Reglosigkeit, zur erstarrten Pose in ästhetischen Bildern und zeitlosen, lang wallenden Kostümen (Andrea Schmidt-Futterer) reizt Kuck die Metapher aus. Dabei hilft eine aufwendige Lichtregie im geometrisch-abstrakten Bühnenraum (Roland Aeschlimann), die die Licht und Schatten-Handlung sinnfällig unterstreicht.
Was die Wagner-Oper so einzigartig macht, ist die Musik: Mit ihrer psychologisierenden Harmonik, der Klangfarbenlogik, dem Changieren zwischen Dissonanzen am Rande der Tonalität und einer gut nachvollziehbaren Leitmotivik beschreibt sie Wagners "Kunst des Übergangs" und weist der Neuen Musik den Weg.
Musikalisch ist der Wuppertaler "Tristan" in besten Händen, was das Publikum mit stehenden Ovationen honoriert. Toshiyuki Kamioka und das Wuppertaler Sinfonieorchester "zelebrieren" Wagner: Pausen sind überaus deutlich, ein Pianissimo kaum hörbare Klage und Seufzer. Dem auf maximale Breite erweiterten Orchester-Graben entströmt satter Klang. Auch die vielen Solopassagen, die sich klangschön entfalten, trägt die Raumakustik.
Kamioka legt Wert auf deutliches Fortissimo, weshalb starke Sänger gefragt sind. John Uhlenhopp meistert die kräftezehrende Partie des Tristan vorzüglich. Mit in allen Registern beweglichem Tenor gibt er den zwischen Liebestraum und Todestrunkenheit selbstquälerisch Torkelnden.
Marion Ammann ist eine Isolde mit starkem Wagner-Sopran von warmer Färbung. Brangäne gibt Anette Bod mit gehaltvoller, aber sehr timbrierter Stimme. Gregory Reinhart ist ein überzeugender König Marke mit viel Volumen und herrischer Ausstrahlung.
In den Nebenrollen glänzen die Ensemblemitglieder Olaf Haye, Boris Leisenheimer, Andreas Heichlinger und Cornel Frey. Kay Stiefermann überrascht als Kurwenal mit vollem Bariton.
Die Regie ist überzeugt, dass der gemeinsame "Liebestod" eine Mär bleiben muss: Tristan stirbt durch Melots Schwert. Mitten im zurückblickenden Klagen um den Verlust des Geliebten entschwindet sie immer mehr im blauen Nebel: Jeder stirbt allein. Die ideale Liebe ist unerreichbar, nur der Tod ist unausweichlich.