Ruhrfestspiele mit „Hedda Gabler“ eröffnet
Recklinghausen (dpa) - Eine Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin machte den Auftakt bei den Ruhrfestspielen. Nach „Hedda Gabler“ nahm der Applaus kein Ende.
Nach dem traditionellen Kulturvolksfest in Recklinghausen am 1. Mai haben die Ruhrfestspiele ihr künstlerisches Programm am Freitagabend mit „Hedda Gabler“ eröffnet.
Der Tag der Arbeit und Volksfest sind Stichworte, die das Profil der Ruhrfestspiele umreißen. Nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 auf Initiative von Bergleuten und Künstlern ins Leben gerufen stehen die Ruhrfestspiele - wie etwa das renommierte Festival d'Avignon in Frankreich - in der Tradition der Arbeiterbewegung. Einer der Träger der Festspiele ist der Deutsche Gewerkschaftsbund.
Intendant Frank Hoffmann hat das Programm in diesem Jahr unter das optimistische Motto „Aufbruch und Utopie“ gestellt. Die Ruhrfestspiele (1. Mai bis 16. Juni) bestechen durch Vielfalt und Qualität, bieten Kunst für alle.
Zum Auftakt arbeiteten die Ruhrfestspiele für „Hedda Gabler“ mit dem Deutschen Theater Berlin zusammen. Bekannter als der Regisseur Stefan Pucher ist die Protagonistin: Nina Hoss. Sie spielt Hedda Gabler ganz in Übereinstimmung mit Ibsens Vorlage als berechnend, aggressiv, egozentrisch.
Hedda hat einen Wissenschaftler geheiratet, der sich um eine Professorenstelle bewirbt. Als ein Rivale auftaucht, spinnt Hedda Intrigen - Hoss zeigt, wie sie ihre erotische Anziehungskraft bedenkenlos einsetzt, um ihre Ziele zu erreichen. Als sie scheitert, richtet sie die vom Vater geerbte Pistole gegen sich selbst.
Nina Hoss spielt niemanden an die Wand, sie ordnet sich problemlos in das brillante Ensemble ein und zeichnet einen Typ Mensch, der die Zeiten überlebt (hat). Pucher springt in seiner Inszenierung zwischen den Epochen: Er beginnt am Ende des 19. Jahrhundert, macht Station in den 20er und 60er Jahren und streift auch das Heute.
Hedda interessiert sich für nichts als für sich selbst. Wo andere Menschen ein Herz haben, trägt sie einen Stein in der Brust. Hoss trifft so punktgenau den Ton der Selbstbezogenheit, dass das Publikum immer wieder schmunzeln muss. Sie zeigt einen Zeitgenossen, den alle wiedererkennen. Hoss' Hedda verkörpert den Neoliberalismus, so sieht eine der sprichwörtlich gewordenen Heuschrecken aus.
Pucher lässt die Handlung immer wieder kippen, am besten gelingen gefilmte Szenen. Eine zeigt Hedda, die sich nach Tombstone träumt. Sie reitet auf ihrem Rappen durch die Westernstadtkulisse, richtet Revolver auf alle Männer, die ihren hohen Anforderungen nicht gerecht werden und schießt sie gnadenlos nieder.
Der Beifall nach der Premiere am Freitag im Großen Festspielhaus auf Recklinghausens Grünem Hügel wollte kein Ende nehmen. Ein großer Teil des Publikums erhob sich am Ende: Ein gelungener Start — die Ruhrfestspiele haben Wind unter den Flügeln.