Schauspieler und Regisseur Peter Kern gestorben
Wien (dpa) - Peter Kern war in der schillernden Filmwelt immer unbequem, ein Außenseiter. Und er hatte ein ganz großes Herz. Nun ist der schwergewichtige Schauspieler und Filmemacher mit 66 Jahren in einem Krankenhaus in seiner Heimatstadt Wien gestorben.
Seit langem musste der an verschiedenen Krankheiten leidende Kern immer wieder in Kliniken behandelt werden. Dennoch kam sein Tod am Mittwochmorgen überraschend für seine Freunde. Zuletzt hatte Kern im Frühjahr seinen letzten Dokumentarfilm „Der letzte Sommer der Reichen“ auf der Berlinale präsentiert.
Als „einer der wenigen verbliebenen Widerständler, Polemiker, Nein-Sager“ wurde Kern in einer Biografie beschrieben. Der eigenwillige Schauspieler, der sich gesellschaftlich und politisch immer einmischte und dem das Herz auf der Zunge lag, hinterlässt ein kaum zu überschauendes Werk. Rückblickend auf rund 100 Filme sagte der bereits um 80 Kilo abgemagerte Kern bei der Berlinale, er habe mit seinem Werk seine „persönliche Freiheit“ erreicht. „Ich habe nichts mehr zu verbergen.“ Und dann erzählte er mit wenigen Worten, dass er ein Jahr im Krankenhaus gelegen habe und von 300 Euro Pension lebe. „Ich bin arm, aber reich an Gedanken.“
Begonnen hatte der am 13. Februar 1949 in das Wiener Proletariat hineingeborene Kern als Wiener Sängerknabe. Ende der 60er Jahre war er schon mit dem Musical „Hair“ auf Tournee. Der Mime mit dem massigen Körper spielte nicht nur an allen wichtigen Theatern von der Volksbühne Berlin bis zur Wiener Burg. Kern wirkte seit den 70er Jahren auch in Dutzenden Filmen der ganz großen Regisseure Deutschlands mit, ob in Rainer Werner Fassbinders „Faustrecht der Freiheit“, Peter Zadeks „Die Wilden Fünfziger“, Wim Wenders' „Falsche Begegnung“ oder Helmut Dietls „Kir Royal“. Die Bandbreite des homosexuellen Schauspielers reichte vom „Räuber Hotzenplotz“ bis zu Rosa von Praunheims Stricher-Doku „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“.
Ebenso lang ist die Liste der Filme Kerns. „Er war einer der letzten Dinosaurier des Autorenfilms, ein zentnerschweres Gesamtkunstwerk“, schrieb Helmut Schödel in der „SZ“. Als „kompromisslosen Filmemacher, besessen und beseelt vom Kino“ beschrieb ihn das Österreichische Filminstitut. So provozierte Kern in seiner österreichischen Heimat etwa mit der Science-Fiction-Filmsatire „Haider lebt - 1. April 2021“.
Fast jährlich brachte Kern zuletzt neue Filme heraus. Zu seinen Erfolgen gehörten „Domenica“ (1993), der Film über die bekannte Hamburger Prostituierte, und ein Streifen über das Leben
alternder Schwuler. Bisweilen wurde Kern wegen seiner manchmal grellen und drastischen Low-Budget-Filme mit viel Sex und Blut das Etikett „Trash“-Regisseur verpasst. Er selbst bezeichnete sich als Geschichtenerzähler, der „sich sein Herz herausreißt, um den Leuten zu zeigen, wie wir in dieser Welt gequält werden“.
Der exzentrische Wiener eckte aber auch in Deutschland an. So kam es in Düsseldorf 2012 zu einem Eklat, als der Stadtrat die Nominierung Kerns für die Jury des renommierten Heine-Preises verhinderte. Vorgeschlagen hatte ihn der mit Hilfe Kerns aus der Neonazi-Szene ausgestiegene Fraktionsgeschäftsführer der Freien Wähler, Torsten Lemmer. Bis heute ist Lemmer Kern dankbar dafür, dass er ihn aus dem braunen Sumpf zog. „Er war ein großer Menschenfreund“, sagt er. Düsseldorf war übrigens jahrelang die Wahlheimat Kerns.