Tannhäuser fällt in Bayreuth durch

Wagner-Premiere lässt das Publikum ratlos zurück.

Bayreuth. Bayreuth ist im Umbruch. Seit dem Tod des Gralshüters Wolfgang Wagner haben seine Töchter die Umwertung aller Wagnerwerte eingeläutet. Die diesjährigen Festspiele eröffneten mit einem „Tannhäuser“, der das Publikum rat- und begeisterungslos zurückließ.

Die Regie wurde Sebastian Baumgarten übertragen, der sich als Brecht-Schüler versteht. Sein Dramaturg Carl Hegemann lässt Wagners Oper an Nietzsches Philosophie zerschellen. Der Bühnenbildner Joep van Lieshout sieht in der Wartburg einen weltbeherrschenden Technokratie-Konzern, der Prozesse der Natur kontrollieren will, beginnend bei den Exkrementen, die in Biogas und dann zu Alkohol verwandelt werden.

Thomas Hengelbrock dirigiert aus der Originalpartitur und ist auf der Suche nach der ursprünglichen Fassung. So prallen vier Positionen aufeinander und finden keine einheitliche Interpretation. Das Resultat ist ein unfertiges Produkt aus der „Werkstatt Bayreuth“.

Baumgarten will keinen Gegensatz zulassen. Dass Tannhäuser in den Venusberg geht, um eine Auszeit mit Liebesexzessen zu nehmen, ist verzeihlich. Nachdem Elisabeth selbst mit ihm in die Liebesgrotte geklettert ist, hat sie kein Verständnis mehr für die Tugendritter der Wartburg, die ihn kritisieren. Sie will Tannhäuser um jeden Preis haben.

Der Sängerkrieg, der das Wesen der Liebe ergründen soll, wirkt wirkt verklemmt und hoffnungslos gestrig. Und selbst die Bühne ist kein tabuisierter Raum der Kunst mehr. Zum ersten Mal sitzen rechts und links Zuschauer auf der Bayreuther Bühne.

Die Musik tröstet für die gedankliche Überfrachtung der Regie. Hengelbrock zelebriert jeden Takt mit filigraner Innigkeit. Er verwandelt den romantischen Duktus der Partitur in eine fast barocke Grandiosität. Den Chören entlockt er eine tiefe Religiosität, die den Kontrast zum Bühnengeschehen verstärkt. Unter den Sängern überzeugen vor allem Camilla Nylund als Elisabeth, Günther Groissböck als Hermann und Michael Nagy als introvertierter Wolfram.