Theater aus Iran und Nigeria: Und das Fremde lockt doch

In Krefeld und Mönchengladbach reagiert das Publikum mit großem Interesse auf Stücke aus dem Iran und Nigeria.

Krefeld. Die Geschichten dieser zwei Frauen krallen sich im Kopf fest. Die eine sitzt in einer Wohnung in Teheran wie eine Gefangene, die den Normen der islamischen Gesellschaft selbst im privatesten Raum nicht entkommen kann.

Die andere hat vermeintlich gegen diese Normen verstoßen. Sie hockt in ihrer Heimat Nigeria in einer Zelle und wartet auf ihre Hinrichtung.

Diese Geschichten sind in Krefeld und Mönchengladbach zu erleben, als Teil einer bemerkenswerten Reihe des dortigen Gemeinschaftstheaters.

Unter dem spröden Titel „Außereuropäisches Theater“ eröffnen die beiden Uraufführungen dem Zuschauer den Blick in fremde Bühnen- und Lebenswelten. Die Autoren und Regisseure der Stücke stammen aus dem jeweiligen Land, in diesen Fällen also aus dem Iran und aus Nigeria.

Initiator der Reihe ist Schauspieldirektor Matthias Gehrt, der als freier Regisseur selbst lange in Afrika, Asien und Lateinamerika gearbeitet hat, unter anderem für das Goethe-Institut.

Aus dieser Zeit stammen seine Kontakte und die unprätentiöse Sichtweise auf Projekte wie dieses. Gehrt will keine Betroffenheitsdramatik für Gutmenschen und Weltverbesserer, er will pures Theater. „Als Benefiz geht so was gar nicht“, sagt er. „Wenn es gut gemeint ist, aber schlecht gemacht, wird sich keiner dafür interessieren.“

Die bisherigen Produktionen — „Bahman-Bagdad“ und „Hagel auf Zamfara“ — wecken das Interesse des Publikums. Die Auslastung auf der Studiobühne liegt nahe 80 Prozent, auch Kritiker überregionaler Medien wurden in Krefeld gesichtet. Das rätselhafte Kammerspiel aus dem Iran und das erschütternde Familiendrama aus Nigeria laufen trotz der fremdartigen Thematik gut. Eine dritte Auflage mit Mexiko ist fest geplant.

Für Gehrt und das Ensemble sind diese Produktionen jedes Mal ein Wagnis. Denn multikulturelle Zusammenarbeit ist am Theater alles andere als ein Selbstläufer: „Viele solcher Projekte fahren sich fest“, weiß Gehrt. Das fängt bei Sprachbarrieren an — so liefen die Proben zu „Bahman-Bagdad“ komplett auf Englisch, obwohl das Stück natürlich in deutscher Sprache auf die Bühne kommt.

Auch organisatorische und strukturelle Unterschiede treten zu Tage: „Wir versuchen, den Aufprall der Kulturen abzuschwächen, indem wir Regisseure nehmen, die Erfahrung in Europa haben. Wer hier arbeitet, muss die Spielregeln kennen“, betont Gehrt. „Trotzdem bleibt das Risiko hoch, die Gefahr des Scheiterns ist größer als sonst.“

Zwar haben sowohl der Iran als auch Nigeria eine starke Theatertradition, aber die unterscheidet sich deutlich von unserer. Genau das ist ja auch gewollt: „Wir konfrontieren uns und das Publikum mit Themen und Menschen, die uns fremd sind. Das reißt den Kopf auf — auch im Ensemble.“

Dabei scheut sich das Theater nicht, kontroverse Themen anzupacken. Eher zufällig, wie Gehrt versichert, drehen sich beide Inszenierungen um die Schattenseiten islamischer Gesellschaften. „Wir wollen kein Islam-Bashing betreiben“, erklärt der Schauspieldirektor. „Es geht eher um eine kritisch tastende Auseinandersetzung.“

Im Iran wurde das gleichwohl anders empfunden: Das Stück „Bahman-Bagdad“, das eigentlich in Teheran uraufgeführt werden sollte, wurde dort nach der Generalprobe verboten. Bei der Krefelder Premiere waren laut Gehrt „Abgesandte der iranischen Autoritäten“ anwesend.