Darf der Nuhr das denn?

Schluss mit Tabus: Der Ratinger verschont in seinem neuen Programm auch Katholiken und Senioren nicht.

Köln. Dieter Nuhr setzt auf Minimalismus. Der Kabarettist braucht keine Leinwand oder anderen Schnickschnack. Alles was er benutzt, sind seine Gags — und die feuert er im Sekundentakt ab. „Nuhr unter uns“ heißt sein neues Programm, wobei er auch da Understatement pflegt.

Denn seine Tage auf Kleinkunstbühnen sind vorbei. Längst spielt er in großen Hallen vor Tausenden von Leuten, wie jetzt in der Lanxess-Arena in Köln. „Zum Papst kommen noch mehr Leute“, sagt er. „Der spricht vor 80 000 im Olympiastadion, obwohl seine Gags 2000 Jahre alt sind. Es sind gute Zeiten für Komiker.“

Wobei man zwischen Comedians und Kabarettisten unterscheiden müsse, das Publikum sei gänzlich anders: „Bei Comedy-Veranstaltungen sind immer Sanitäter da. Bei Kabarett kommt gleich der Bestatter mit.“

Ein Raunen geht durch die Halle. Witze gegen Katholiken und Senioren, darf man das? Ja. Denn Nuhr wirft seine herrlich politisch unkorrekten Giftpfeile gegen jede soziale Gruppe: Männer, Frauen, Facebook-Fans („Die Realität ist das, wo der Pizzabote herkommt.“). Auch die Politik bekommt ihr Fett weg: „Wer handelt, macht Fehler. Das kann man Angela Merkel wirklich nicht vorwerfen.“

Es bleibt nicht mal Zeit, empört mit dem Finger zu fuchteln, so schnell folgt die nächste Pointe. Nuhr beherrscht sein Handwerk wie kaum ein anderer. Kunstpausen und leise Bemerkungen lassen seine Witze noch mehr funkeln. Seine Fans lieben den Intellekt des Ratingers, etwa, wenn er groteske Fakten auf eine schlichte Formel bringt.

Bestes Beispiel: die Griechenland-Krise. „Wie viele Schulden muss man zusammenbekommen, dass man mich retten muss? Wie schaffe ich es, so viel Geld zu versaufen, dass die EU-Kommission zusammentritt und sagt, der Deckel geht auf uns?“ Auch die Tatsache, dass die NPD in den Landtag eingezogen ist, ruft bei ihm nur Kopfschütteln hervor. „Die Leute sagen, sie wählen die NPD aus Protest. Also mal ehrlich: Wenn ich ein Schwein bin und unzufrieden bin mit dem Bauern, dann wähle ich doch nicht den Metzger!“

Roter Faden durch das Programm soll „Zufriedenheit“ sein. Den entdeckt das Publikum bei den vielen Themen-Sprüngen nicht gleich. Aber nach 140 Minuten durchgehendem Lachen ist das Gefühl beim Zuschauer fest verankert.