Treppen, die ins Nichts führen
Oper: „Der Untergang des Hauses Usher“ von Philip Glass bedrückt auch ohne Horror.
Krefeld. Repetition folgt auf Repetition, Reihung folgt auf Reihung - und es wird nicht langweilig. Diese mäandernde Musik entwickelt trotz vermeintlich einfacher Struktur Spannung, unterstreicht und trägt das Bühnengeschehen. Im Theater auf Zeit feierte jetzt die Oper "Der Untergang des Hauses Usher" umjubelte Premiere. Christian Tombeil, noch stellvertretender Intendant in Krefeld und Mönchengladbach, aber bereits designierter Schauspielchef in Essen, hat das so fein gezeichnete wie kraftvolle Werk von Philip Glass, einem herausragenden Vertreter der Minimal Music, psychologisch scharfsinnig und ambivalent inszeniert.
Die Geschichte stammt von Edgar Allan Poe. In Krefeld erlebt man eine unpathetische, aber höchst emotionale Inszenierung, die in den Abgrund einer Dreiecksbeziehung blickt oder auch nur die Seelenqual einer Person schildert - das bleibt offen.
Poes Erzähler ist William (Michael Kupfer, Bariton), sein Blickwinkel bestimmt auch die Oper. Zu Beginn schläft er, am Ende wacht er jäh wie aus einem Alptraum auf. Hat er also alles nur geträumt? Sind die anderen Figuren nur Spiegel seiner Zerrissenheit? Zu Beginn spricht Roderick Usher (Johannes Preißinger, Tenor) den Brief, mit dem er William, den Jugendfreund, um Anreise und Hilfe bittet. Der wird gleich bei der Ankunft vom Familienarzt (Markus Heinrich, Tenor) gedrängt, wieder abzureisen. Er bleibt, und die Atmosphäre des Hauses schlägt bald auch auf sein Gemüt. "Kalt und feucht. Kein Sonnenstrahl", so umreißt er die Stimmung.
Roderick leidet, es ist wohl ein Leiden der Seele. Und auch die Schwester Madeline (Isabelle Razawi, Sopran) sei krank, sie geistert blass über die Bühne. Singen darf sie nur die Vokalise A, das entspricht ihrem sprachlosen Auftritt in Poes Text. Gibt es da eine verbotene Beziehung zwischen den Geschwistern? Die Tänzer Silvia Behnke und Antal Dobsa doppeln die Sänger (Choreografie: Robert North), einer ihrer Pas de deux ist Wechselspiel von Begehren und Abwehr. Zu Beginn des zweiten Aktes ist Madeline angeblich gestorben. Roderick beschuldigt den Arzt des Mordes, doch die Totgeglaubte steht wieder auf, um dann mit ihrem Bruder gemeinsam das Leben hinter sich zu lassen.
Die gelungene Bühne von Andreas Jander schachtelt mehrere Räume ineinander. Sie ist Labyrinth ins Nichts ragender Treppen, Friedhof und Kirchenruine. Tänzer Dobsa erkundet den Raum auch in der Höhe, thront manchmal über der Szene wie ein steinerner Dämon auf dem Sims einer Kathedrale. Dirigent Kenneth Duryea und einem zwölfköpfigen Kammerensemble der Niederrheinischen Sinfoniker gelingt eine rhythmisch präzise und stets transparente Interpretation der Musik von Glass.
85 Minuten, Auff.: 13. Mai, 6.,9.,12., 20. Juni. Karten-Tel.: 02151/805125