Balett: „Wir sind kein Anhängsel der Oper mehr“
Martin Schläpfer holt alle Künstler von Rang und Namen an die Rheinoper.
Herr Schläpfer, Sie bringen nahezu die gesamte Compagnie mit. Fällt Ihnen der Abschied so leichter?
Schläpfer: Ich will ja kommen. Zehn Jahre Mainz genügen. Vorher war ich fünf Jahre in Bern mit noch kargeren Strukturen. Man ermüdet irgendwann und will auch andere Erfahrungen machen. Ja, ich bringe 18 Tänzer mit. Das hat mit Loyalität zu tun. Etwa 20 Tänzer übernehme ich, etwa zehn weitere habe ich neu ausgeguckt. Es wird kein Corps, das die klassische Ästhetik widerspiegelt, sondern die heutige Außenwelt.
Gibt es auch einen neuen Namen?
Martin Schläpfer: Ja, Ballett am Rhein Düsseldorf-Duisburg. Schon der Titel soll ausdrücken, dass wir kein Anhängsel der Oper mehr sind.
Mit welchen künstlerischen Zielen treten Sie die neue Position an?
Schläpfer: Ich möchte hier international eine der besten Compagnien wissen mit einem Profil, das nicht austauschbar ist. Es ist ein großes Haus, das den Tanz gut ausstattet. Da müssen die wichtigen Choreografen vertreten sein. In der ersten Spielzeit sind es fünf gemischte Premieren, unter anderem mit Hans van Manen, Paul Lightfood/Sol León, George Balanchine, Twyla Tharp und Kurt Jooss. Der Rest kommt von mir. Ich beginne mit einer Uraufführung zur dritten Symphonie von Witold Lutoslawski.
Von Ihnen kennt man abstrakte Werke im Sinne einer zeitgenössischen Neoklassik. Werden Sie sich, da Sie nun 48 Tänzer zur Verfügung haben, auch dem Erzählballett zuwenden?
Schläpfer: Das ist schon ein Thema. Ich denke schon lange an "Schwanensee", aber ich habe noch keinen Schlüssel. Es kann auch sein, dass ich mit einem Komponisten einen neuen Stoff erarbeite.
Sie sagten, bei einem Ballett gehe es Ihnen darum, "das Herz der Musik zu punktieren". Sind Ihre durchkomponierten Arbeiten das Ergebnis choreografischen Kalküls oder gehen Sie intuitiv vor?
Schläpfer: Intuitiv alleine schon lange nicht mehr. Ja, es ist auch Kalkül - und Erfahrung vom Sehen und Lernen. Auch von der zeitgenössischen Musik. Jemand wie Lachenmann hat meinen Kopf gesprengt. Es ist ja alles schon da in der Musik, auch in ihrem Subtext. Dabei ist es schwerer, einen Schubert zu beantworten als einen Ligeti.
Keine deutsche Compagnie hat so viele van Manen im Repertoire wie das ballettmainz. Wird das bald auch für Düsseldorf gelten?
Schläpfer: Es wird jährlich einen van Manen geben. Gewisse Meister gehören einfach dazu. Ich will keinen Fruchtsalat aus allem, was gerade modern ist. Aber es wird auch die zeitgenössische Gegenwelt geben. Da bin ich noch auf der Suche.