Ein Opfer der Massenmedien
Das Düsseldorfer Schauspielhaus beschäftigt sich mit der medialen Aufbereitung des Falles Kampusch.
Düsseldorf. Natascha Kampusch ist das Zentrum von Kathrin Rögglas neuem Stück, obwohl sie nie benannt wird. Letztlich steht die junge Frau, die acht Jahre lang in einem Keller in Österreich eingesperrt war, nur stellvertretend für etwas, das sehr großes Interesse der Öffentlichkeit weckt und über eine gewisse Zeit medial omnipräsent ist.
Röggla lässt in "Die Beteiligten" sechs Personen zu Wort kommen, in denen sich der Fall spiegelt, die aber eigentlich nichts damit zu tun haben. Sie nutzen ihn nur als Projektionsfläche. Das medienkritische Stück der jungen Österreicherin wurde nun im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses uraufgeführt.
Stephan Rottkamp (Regie) und Robert Schweer (Raum- und Videoinstallation) schaffen sechs Boxen auf der Bühne, in denen jeweils 30 Zuschauer und ein Schauspieler abgedunkelt sitzen.
Die anderen fünf Schauspieler sind live zugeschaltet aus den anderen Boxen und werden auf Bildschirmen übertragen. Da es um die Mediengesellschaft geht, scheint das erst einmal eine ganz sinnige Szenerie.
Die monologischen Texte sind kompliziert: Alle Figuren sprechen in indirekter Rede und dritter Person, so als gebe das Opfer selbst ihre Worte nur wieder, was anfangs etwas verwirrt. Das schafft Distanz und entlarvt die Personen um so mehr.
Denn alle diese selbst ernannten Experten spiegeln sich nur in ihrem Interesse an dem Fall der eingesperrten jungen Frau, die irgendwann wieder auftauchte und gar nicht als verstörtes Opfer auftrat, sondern als eloquente Gesprächspartnerin Interviews gab.
Da ist etwa der Möchtegernjournalist (Wolfram Rupperti), der versucht, den Fall für sich auszuschlachten und am Ende wie alle anderen das Interesse verliert. Er will wissen, was der Fall ihm finanziell gebracht hat und geht dann zum nächsten Thema über.
Oder die Pseudopsychologin (Claudia Hübbecker), die unbedingt das verstörte Opfer in der Frau entdecken will. Als sie es nicht kann, prophezeit sie ihr fast schon hysterisch eine schlimme Zukunft unter der eigenen "Prinzessinnendiktatur".
Die Irgendwie-Nachbarin (Susanne Tremper) sorgt mit ihrer schnoddrigen Art für einige komische Momente. Sie ist der Prototyp der schamlosen Voyeurin, die immer bereit ist, ein Sätzchen ins Mikrophon abzugeben, sei es auch noch so belanglos. Ihr Bild vom Opfer ist festgemeißelt und lässt sich auch durch neue Fakten nicht revidieren.
Als das Opfer dann noch nicht einmal die erwartete Demut zeigt, zweifelt die etwas hinterhältige Nachbarin bald schon die ganze Geschichte an. Dann gibt es noch einen Quasifreund (Pierre Siegenthaler), den professionellen Fan (Anna Kubin) und das gefallene Nachwuchstalent (Denis Geyersbach).
Nach dem dritten Akt entschweben die Boxen in den Bühnenhimmel, der Zuschauer sieht nun alle anderen, die auf der Bühne sitzen. Die Figuren bewegen sich im Raum. Auch inhaltlich vollzieht sich ein Wandel, fast alle wenden sich gegen das Opfer, da es nicht ihren Vorstellungen entspricht.
Dann wird die Wand zum Zuschauerraum aufgezogen und man sieht sich selbst auf den Bildschirmen: Ja, auch wir sind alle Teil der fragwürdigen Mediengesellschaft. Da wird Stephan Rottkamps Inszenierung doch etwas aufdringlich symbolhaft.
Vielleicht lenkt die aufwändige Bühnenkonstruktion vom eigentlichen Text ab, vielleicht hätte eine einfachere Darbietung Rögglas Stück zu mehr Transparenz und Tiefe verholfen. Ihre Medienkritik greift bereits vorhandene Diskussionen auf, verdichtet sie, aber schafft leider kaum neue Erkenntnisse. Unterhalten kann sie allerdings ganz gut damit.
1 1/2 Std. keine Pause, Auff.: 21. u. 27. April, 2., 3., 16. und 17. Mai, Karten-Tel. 0211/369911.