Von der Kunst, sich gnadenlos zu zerfetzen
Wuppertaler Bühnen zeigen „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von Edward Albee.
Remscheid. Zwei Männer und zwei Frauen in einem Raum, drei Stunden lang. Keine Handlung außer dem verbalen Schlagabtausch zwischen den Paaren - ein junges, ein älteres. Wer über eine Inszenierung von Edward Albees immer noch grandiosem Stück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" von 1962 redet, muss über die Leistung der Darsteller sprechen.
Das ist die Stärke und das Problem der Inszenierung von Kirsten Uttendorf für die Wuppertaler Bühnen, die jetzt im Remscheider Teo Otto Theater Premiere feierte.
An Kuohn brilliert in der Rolle der Martha, eine ebenso routinierte Trinkerin wie Beherrscherin des Spiels mit Bosheiten und Demütigungen. Kuohn lässt Martha schillern zwischen mitleidlosem, Eiswürfel kauendem Luder und einem ständig überhitzt brodelnden, innerhalb von Sekunden explodierenden Vulkan.
Allein: In der Summe wirkt alles einen Hauch zu dick aufgetragen. Die wunde Seelenstelle, die ungestillte Sehnsucht, aus der sich die ganze Bitterkeit speist, vermittelt sich dabei nur selten.
Das eigentliche Kraftzentrum dieser Inszenierung ist Andreas Möckel als Ehemann George. Er trifft jeden Ton auf den Punkt, ist zynisch, süffisant, lakonisch, abgeklärt und springt doch immer noch aufheulend aus den Schuhen, wenn Martha ihre Wortpfeile exakt in seine wunden Stellen schießt. Georges Spiel ist es, sich an die Wahrheit zu halten und die Illusionsblasen der anderen genüßlich platzen zu lassen. Möckel gibt das herrlich beiläufig.
Das kann man nun von Henning Strübbe (Nick) und Olga Nasfeter (Honey) nicht behaupten. Der junge Akademiker ist mit Kastenbrille, Gelhaaren und bübchenhaftem Rollkragenpulli ebenso überzeichnet wie seine plumpe Angetraute im zu kurzen froschgrünen Kleid.
Zwar ist die zweifelhafte Ausstattung (auch Bühnenbild: Heiko Mönnich) nicht ihre Schuld. Leider verstehen sie es aber auch nicht, die schief angelegten Figuren darstellerisch auszudifferenzieren. Strübbes schulterklopfendes Anbiedern beim älteren Kollegen wirkt ebenso aufgesetzt wie sein Anbaggern von dessen Gattin.
Nasfeter gibt das trampelige Dummchen zu eindimensional, als dass Honeys beharrliches Festhalten an der Lebenslüge von der intakten jungen Ehe zu rühren vermöchte.
Da man beide in anderen Rollen schon bedeutend besser gesehen hat, muss man dieses Defizit wohl der Regie anlasten. Die fehlende Dichte und Ausgewogenheit in der Personenführung lässt die zwei Stunden bis zur Pause zunehmend lang werden.
Gleichwohl: Es bleiben genug starke Momente in diesem Liebes-Spiel, das es ja trotz allem ist. Ein Spiel aus Liebe und Hass, Anziehung, Verachtung, ein Spiel mit Illusionen. Ein zeitloses Spiel.
3 Std., 1 P., Premiere Wuppertal: 21. Mai. Karten: 0202/5694444