Unspektakuläre „Unterwerfung“ in Berlin

Berlin (dpa) - Die Reaktion auf den Anfang 2015 erschienenen Roman „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq reichte von lautstarker Ablehnung bis zu jubelnder Begeisterung.

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Der bislang vor allem wegen expliziter sexueller Beschreibungen skandalumwitterte Bestsellerautor („Elementarteilchen“) entwirft darin die Vision eines Frankreichs, das im Jahr 2022 einen muslimischen Präsidenten bekommt. Am Freitagabend hatte am Deutschen Theater Berlin die hierzulande bereits dritte Theateradaption des Romans Premiere.

Erarbeitet wurde sie von Regisseur Stephan Kimmig und Dramaturg David Heiliger. Nach der im Februar am Schauspielhaus Hamburg herausgekommenen Bearbeitung der Dystopie als Monolog mit Edgar Selge ist in Berlin - ähnlich wie seit März am Staatsschauspiel Dresden - eine Version für mehrere Schauspieler zu sehen.

Die Berliner Bühnenversion orientiert sich inhaltlich recht eng an der Vorlage: Frankreich befindet sich im Jahr 2022 in einem politisch desolaten Zustand. Ein Bürgerkrieg droht. Wahlen stehen an. Aus denen geht ein Muslim als Präsident hervor.

Der lebensmüde Literaturwissenschaftler François, die Hauptfigur der Erzählung, muss sich nun entscheiden, ob er aus Karrieregründen zum Islam konvertiert.

Die Aufführung vermeidet alles Schrille und Provokante. Sie dreht sich vor allem um die Frage, welche Rolle Glaube an sich in der modernen bürgerlichen Gesellschaft haben kann. Überraschend ist, dass François als Siecher auf einem Krankenlager gezeigt wird. Das lässt die Deutung zu, die radikalen gesellschaftlichen Veränderungen würden allein seiner Fantasie entspringen.

Damit wird der Erzählung einige Schärfe genommen. Außerdem kommen Houellebecqs oft sehr deutliche Verweise auf politische Realitäten der europäischen Gegenwart in dieser Stückfassung kaum vor. Es scheint peinlich genau darauf geachtet worden zu sein, keinerlei satirische Provokation zu bieten. So entgeht die Aufführung - anders als der Roman - von vornherein auch nur dem leisesten Verdacht, womöglich islamfeindlich zu sein.

Hauptdarsteller Steven Scharf führt das fünfköpfige Ensemble als Erzähler und als François an. Meist wirkt er fast schlafwandlerisch. Schrille Töne bleiben aus. Bei ihm wird die Hauptfigur zu einem ausgebrannten Intellektuellen, der sich von den Ereignissen treiben lässt. Die Darsteller um ihn herum schlüpfen jeweils in mehrere Rollen. Profil bekommt keine.

Das Bühnenbild erinnert an einen großen leeren Krankenhaussaal. Der Abend wirkt in Gänze recht profillos. Houellebecqs stellenweise drastischer Versuch, eine Diskussion über die Zukunft der bürgerlichen Gesellschaft westeuropäischer Prägung anzuregen, kommt in Berlin auf zu leisen Sohlen daher.

Die funkelnde Gedankenschärfe des Autors wirkt brav zurechtgestutzt. Einem Großteil des Premierenpublikums gefiel das offenbar dennoch. Der Schlussbeifall war stark.